Die spannendste Woche in diesem Quartal geht langsam zu Ende und es ist Zeit die Ergebnisse zu rekapitulieren. Meine Berichte zu den Q2-Zahlen finden Sie in der Übersicht und in den letzten Beiträgen. Aktuell fehlt noch Delivery Hero, zu denen ich einen zwei-teiligen Bericht geplant habe, der allerdings noch bis Anfang nächster Woche (für Teil 1) bzw. Ende August (für Teil 2; hier fehlen noch endgültige Zahlen von DH) benötigt. Daher hier erstmal ein kleiner Bericht. In der vergangenen Woche gewann unser Wikifolio 2,9%, von 398,13€ ging es auf 409,55€. Der Vergleichsindex CDAX gewann 1,5%. Damit liegt die Underperformance aktuell bei 15,0% seit Jahresbeginn (YTD: +1,6% Wikifolio; +16,6% CDAX).
Delivery Hero: Q2-Zahlen
Delivery Hero hat zum 10. Quartal in Folge einen Umsatzanstieg von ca. 100% vermeldet und konnte den Außenumsatz (GMV) auf knapp 8,4 Mrd. € steigern. Man ist auch im zweiten Halbjahr auf einem sehr guten Weg und hat daher die GMV-Jahresprognose weiter erhöht. Doch ähnlich wie Auto1 und Hellofresh will auch Delivery Hero das aktuelle Momentum nutzen, um weiter in das Geschäft zu investieren. Schwerpunkte der Investitionen sollen die Dmarts sein, zudem will man das Own-Delivery-Geschäft in Südkorea aufbauen, um sich gegen Coupang Eats durchzusetzten (die aktuell schwere Imageprobleme haben) und man expandiert nach Deutschland und Japan. Daher wird man die operative Marge nur am unteren Ende der Prognose (-2% vom GMV) erreichen und voraussichtlich auch noch im 1. Halbjahr 2022 stark investieren, sodass man auch im Jahr 2022 noch nicht profitabel wird.
In den beiden ausführlichen Analysen zu Delivery Hero will ich mich im ersten Teil dem Dmarts-Geschäftsmodell widmen und zeigen, wie viel effizienter und vielversprechender Delivery Hero dieses aufziehen kann, als nahezu alle anderen Konkurrenten. Im zweiten Teil gehe ich dann auf das Restaurant-Liefergeschäft ein und erläutere wieso das Geschäft an sich bereits hochprofitabel ist, die Wachstumsinvestitionen aktuell aber weiterhin zu Verlusten führen. Ich bleibe weiterhin dabei, dass es aus Sicht von Delivery Hero absolut sinnvoll ist weiter zu investieren, anstatt zu früh auf die Profitabilität zu schielen und sich dadurch zum einen angreifbar gegenüber Konkurrenten zu machen und zum zweiten viele Chancen zu verpassen. Das Online-Liefergeschäft von Restaurantessen, Lebensmitteln und weiteren Produkten steht gerade erst am Anfang seiner Entwicklung, Delivery Hero ist außerhalb von China der größte Player in den stärksten Wachstumsregionen (Südostasien, Südamerika); hier liegen noch Jahrzehnte an Wachstum vor uns.
Vonovia: politische Risiken
Weniger erfreulich war die Entwicklung bei Vonovia, die zwar sehr gute Geschäftszahlen vermelden konnten, aber bei denen die externen/politischen Risiken deutlich zugenommen haben. Ein Erstarken von linken Parteien vor der Bundestagswahl in 6 Wochen hatte ich bereits in der Vergangenheit als größtes Risiko gesehen, welches sich aktuell wohl auch bestätigt. Seit einigen Wochen nimmt die Unterstützung der CDU rapide ab, während der Abwärtstrend der Grünen gestoppt ist und die SPD deutlich hinzugewinnt. So zeigen mittlerweile mehrere Umfragen eine Mehrheit für Rot-Rot-Grün an, mit Tendenz zu weiteren Stimmgewinnen.
Dass Rot-Rot-Grün (oder evtl. auch Rot-Grün-Gelb) starke Einschränkungen für Vermieter und Wohnungsgesellschaften hätte ist seit langem bekannt. Wer die Wahlprogramme der Parteien liest, der findet Forderungen wie bundesweiter Mietendeckel, deutliche Verlängerung der Mietspiegel (was zu deutlich verringerter Miete führt), vollständige Umlage der CO2-Steuer auf Vermieter und Einschränkung der Mieterhöhung nach Modernisierung. Das man sich als Aktionär nicht gegen die Politik stellen will mussten bereits EON und RWE in den 2010er Jahren mit dem Ausstieg aus der Atomenergie erleben. Bis heute haben sich die Kurse davon nicht wieder erholt. Ganz so schlimm wird es bei Wohnungsunternehmen wohl nicht werden, dennoch sind dies aus meiner Sicht unnötige Risiken, die man sich mit der Aktie ins Depot holt.
Noch ist die Wahl zwar nicht gelaufen, aber dennoch habe ich mich dazu entschieden die Position erst einmal „auszusetzen“ und die Aktien verkauft, um dieses Risiko zu vermeiden. Sollte sich der Trend doch noch umkehren und es beispielsweise zu einer Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP kommen, dann würde ich die Entscheidung wohl rückgängig machen und bei Vonovia wieder zukaufen. Sollte es wie befürchtet zu einer mehrheitlich linken Regierung kommen, dann werde ich die Erlöse aus dem Verkauf anderweitig investieren (wie beispielsweise auch diese Woche schon in Position, die ich seit längerem auf der Watchlist hatte und die einen günstigen Einstieg bieten: Westwing, Booking, Uber, Just Eat Takeaway).
Zooplus: Rückzug von der Börse
Zooplus-Aktionäre haben am Freitag ein Übernahmeangebot von einem US-Finanzinvestor bekommen. Dieser bietet 2,8 Mrd. € (entspricht einem KUV von 1,4) für das Tierbedarf-Unternehmen, das in der Vergangenheit vor allem durch unterdurchschnittliches Wachstum (3y-CAGR ~15%) und vergleichsweise niedrige Margenstrukturen (aktuell: 2-4% operative Marge, langfristig >6%) aufgefallen ist. Dies zeigt auch die im Vergleich niedrigen Bewertungen der Unternehmen im Wikifolio auf:
- Home24: ca. 30% Wachstum; Margen von 0-2% (aktuell) bzw. >10% (langfristig); KUV (ex. Cash und Mobly) = 0,6
- Hellofresh: >40% Wachstum; Margen von 8-10% (aktuell) bzw. >15% (langfristig); KUV = 2
Fazit: Ergebnisse des 2. Quartals
Insgesamt kann man auf ein solides zweites Quartal zurückblicken. Angefangen beim Umsatzwachstum hat keine wichtige Position des Wikifolios enttäuscht, Hellofresh und Home24 haben sogar deutlich besser abgeschnitten als erwartet; Delivery Hero, Auto1 und Teladoc haben im Rahmen der Erwartungen abgeschnitten. Allerdings war der Markt bei Hellofresh, Delivery Hero und Auto1 mit den zusätzlichen Investitionen unzufrieden und ließ die Aktien jeweils deutlich abstürzen. Ich habe bereits mehrfach betont, wie sinnvoll Investitionen langfristig sind und bin daher auch mit den Ankündigungen zufrieden. Dennoch werde ich in Zukunft natürlich darauf schauen, ob sich diese Investitionen tatsächlich lohnen oder ob diese nur „vorgeschoben“ waren, um ein schwächelndes Wachstum auszugleichen. Einzig Teladoc ist aktuell etwas Sorgenkind, hier muss man die weitere Entwicklung abwarten. Bei den anderen vier Schwergewichten bin ich mehr von den langfristigen Aussichten überzeugt als noch vor den Quartalszahlen – zudem ist die Bewertung weiterhin deutlich unter meinem fairen Wert.
Hallo Bastian,
Du meinst ja DH investiert im ersten HJ2022 nochmals sehr viel, damit es zur Profitabilität im Gesamtjahr noch nicht reicht.
Rechnest du dann dennoch in Q3 oder Q4 2022 zum ersten Mal mit einer positiven Marge, oder ab wann denkst du dass DH dies auf Quartalsbasis erreichen wird?
Gruß Peter
Moin Peter,
das kommt entscheidend darauf an, wie stark man zu diesem Zeitpunkt noch investiert. Ich gehe davon aus, dass das Restaurant-Business im 2. Halbjahr 2022 break-even erreicht (trotz weiterhin hoher Investitionen in Deutschland, Japan, Südkorea). Das Dmarts-Business wird zu diesem Zeitpunkt sicher noch nicht profitabel sein (würde mich auf jeden Fall sehr wundern).
Letztlich ist es für das Unternehmen also weiterhin eine Abwägung zwischen Wachstum und Profitabilität. Wenn man tolle Investitionsmöglichkeiten (neue Länder, mehr Dmarts etc.) findet, dann bin ich auch absolut damit zufrieden erst im 2. Halbjahr 2023 die Profitabilität zu erreichen.
VG Basti
Hallo Bastian,
können Amerikaner eigentlich die Hello Fresh Aktie kaufen, oder gibt es dazu noch keine ADR?
In Amerika sind die KUVs von vergleichbaren Unternehmern ja tendenziell etwas höher als in Europa.
Spielt das bei der Einschätzung deines fairen KUVs eine Rolle?
Viele Grüße
Jan
Moin Jan,
aktuell können Amerikaner über die gängigen Börsen keine Hellofresh Aktie kaufen.
Ich vergleiche vor allem deutsche/europäische Bewertungen miteinander, bzw. nehme Abschläge vor wenn ich mit US-Unternehmen vergleiche. Wäre Hellofresh in den USA gelistet, dann wäre die Bewertung um einiges höher.
VG Basti
Sind dadurch keine Art Arbitragegewinne möglich? Weil kaufen kann man sie in den USA ja, nur eben nicht über die „gängigen“. Das müsste doch heißen, dass wenn mehr und mehr auf HF aufmerksam werden, sich der Kurs immer stärker an „amerikanische Bewertungsverhältnisse“ annähern müsste.
Moin Korbi,
wenn Amerikaner mehr auf Hellofresh aufmerksam werden bzw. irgendwann möglicherweise ein zweites Listing in den USA ansteht, dann könnte es sicher dieses Effekt geben. Dies sehe ich aber nicht in nächster Zeit.
VG Basti
Hallo Bastian,
Kann die Geschäftsführung über ein Listing von ADR entscheiden? Was wäre denn ein Grund für ein Unternehmen sowas zu entscheiden? (Verknüpft mit Kapitalerhöhung?)
Wenn HelloFresh in den DAX kommt, wird es langfristig wahrscheinlich auch sichtbarer für internationale Investoren.
Viele Grüße & vielen Dank
Jan