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Vonovia: Übernahme der Deutsche Wohnen

Anfang der Woche haben die beiden größten deutsche Wohnimmobilienkonzerne ihren Zusammenschluss verkündet – Nr. 1 Vonovia übernimmt die Nr. 2 Deutsche Wohnen. Die Übernahme kommt in einer politisch angespannten Zeit, in der ich bereits in früheren Analysen aufmerksam gemacht habe. Vor allem die im September anstehende Bundestagswahl hat einen großen Einfluss darauf wie sich das Unternehmen weiterhin entwickeln wird. In dieser Analyse werde ich neben den finanziellen Folgen einer möglichen Übernahme auch auf die politischen Folgen eingehen.

Finanzielle Folgen

Rahmenbedingungen

Die Übernahme der Deutsche Wohnen (DW) wird im 3. Anlauf sehr wahrscheinlich über die Bühne gehen; dafür spricht die Tatsache, dass der DW-Vorstand die Angebotsannahme empfiehlt sowie die vergleichsweise geringe Annahmeschwelle von nur 50% der Aktien. Davon hat Vonovia bereits 10% von institutionellen Anlegern sicher. Bei den bisherigen Übernahmeversuchen scheiterte es stets an der fehlenden Kooperation mit den DW-Vorständen, dieses Risiko ist diesmal nicht vorhanden.

Die finanziellen Folgen der Übernahme hängen von mehreren Parametern ab. Besonders die Struktur der Übernahmefinanzierung, das Zinsniveau, der Preis der Vonovia-Aktie bei der Kapitalerhöhung sowie die Verkäufe bestehender Immobilien(-pakete) sind entscheidend. Insgesamt belaufen sich die Transaktionskosten auf 28,4 Mrd. € und teilen sich in den angebotenen Kaufpreis der ausstehenden Aktien (16 Mrd. € bei 90% Angebotsannahme), 11,8 Mrd. € Nettoschulden der DW sowie Transaktionskosten/Integrationskosten von 0,6 Mrd. € auf. Diese Summe wird im ersten Schritt durch eine Brückenfinanzierung gestemmt, bei der zum einen 6,4 Mrd. € der ausstehenden DW-Kredite übernommen werden sowie 21,9 Mrd. als reine Brückenfinanzierung von Banken zur Verfügung gestellt werden. Diese reine Brückenfinanzierung muss anschließend jedoch wieder refinanziert werden.

Quelle: Vonovia-Präsentation zur DW-Übernahme S. 8

Ungefähr 7 Mrd. € werden durch neue ausgegebene Anleihen refinanziert, sodass die Nettoschulden in etwa auf dem Niveau der DW vor der Übernahme liegen und somit keine bzw. nur geringe zusätzliche Finanzierungskosten entstehen (1). Zudem wird es im 2. Halbjahr 2021 eine Kapitalerhöhung von bis zu 8 Mrd. € geben, ich rechne hier der mit 7 Mrd. €. Dies würde beim aktuellen Preis der Vonovia-Aktie bedeuten, dass man 136 Mio. neue Aktien ausgibt, was einer Verwässerung von 23,5% entspricht (2). Der letzte Teil wird durch den Verkauf von Wohnungen an die Stadt Berlin zum Bilanzwert (3) und durch den Verkauf von weiteren 20k – 25k Wohnungen mit Aufschlag zum Bilanzwert (4) realisiert.

Auswirkungen auf den operativen Gewinn

Der operative Gewinn von Vonovia wird sich durch die Übernahme der DW deutlich erhöhen. Dies ist erst einmal nicht überraschend, da man eine profitable Gesellschaft übernimmt. Entscheidend ist jedoch das Gewinnwachstum im Vergleich zur Verwässerung der Altaktionäre. Vonovia erwartet in 2021 einen operativen Gewinn (FFO) von ca. 1,45 Mrd. €. Dieser würde sich bei einer Übernahme der DW folgendermaßen verändern:

  1. Die Finanzierungskosten der Unternehmen bleiben in etwa gleich, wie in (1) im Abschnitt oben beschrieben. Wenn man konservativ rechnen will, könnten Mehrkosten in Höhe von 20 Mio. € jährlich entstehen.
  2. Der operative Gewinn (FFO) der DW würde die FFO des neuen Konzerns um 0,6 Mrd. € erhöhen abzgl. 10% Gewinnanteile der Minderheitsaktionäre –> 0,54 Mrd. €
  3. Durch operative Synergien entstehen ca. 0,1 Mrd. € zusätzlicher Gewinn. Dieser wird zwar erst 2024 vollständig realisiert, jedoch wird dieser hier mit einberechnet, um das Potential zu erfassen.
  4. (3) und (4) beeinflussen den FFO nicht, da Gewinne aus Immobilienverkäufen nicht zum operativen Gewinn hinzugerechnet werden
  5. Die Begrenzung der Mieterhöhungen für Berliner Wohnungen in Höhe von 1% für die nächsten 3 Jahre sowie den Inflationsausgleich in den beiden Folgejahren sowie die Begrenzung der Modernisierungsumlage auf 2€/qm haben nur minimale Auswirkungen, da bereits heute die organische Mieterhöhung in etwa in diesem Bereich liegt und auch die Modernisierungsumlage von Vonovia fast immer unter 2€/qm liegt.

Insgesamt würde der operative Gewinn demnach von 1,45 Mrd. € (vor der Übernahme) auf 2,06 Mrd. € steigen. Dies entspricht einem Wachstum von 42%. Verglichen mit der Verwässerung um 23,5% steigt der Gewinn also deutlich stärker an und Altaktionäre profitieren. Der Gewinn je Aktie würde nach der Übernahme und auf voll verwässerter Basis um 15% über dem Wert vor der Übernahme liegen.

Auswirkungen auf den Immobilienwert

Eine weitere wichtige Kennzahl (Erklärung der Kennzahlen), die sich durch den DW-Kauf verändern könnte ist der Immobilienwert (NTA). Dieser lag in Q1 bei 63,22€/Aktie (Vonovia) bzw. 52,50€/Aktie (DW). Die Übernahme der DW erfolgt somit zum NTA, welcher in der Regel deutlich unter dem Marktwert der Wohnungen liegt. So konnte DW in Q1 bei den regulären Portfolioverkäufen im Schnitt einen Aufschlag von 29% realisieren. Die Vonovia-Aktie wird aktuell jedoch unter dem NTA gehandelt wird, sodass sich bei der Übernahme der DW-Aktien der Abschlag auf den NTA leicht verringern wird. Während dieser aktuell bei 18% liegt, wird er nach meiner Kalkulation in Folge der Übernahme bei ca. 13% liegen (pro-forma). Zusätzlich zu berücksichtigen sind jedoch der Verkauf großer Wohnungspakete an die Stadt (3) und weitere Investoren (4). Da diese zum Bilanzwert (3) bzw. oberhalb des Bilanzwertes (4) verkauft werden, wird sich der Abstand zum NTA wieder deutlich vergrößern und insgesamt wohl bei 17% liegen. Damit liegt der Abschlag zum NTA in etwa auf dem Niveau von Vonovia vor der Übernahme.

Da Vonovia bereits in der Vergangenheit sehr positiv bei der Vorbereitung, Durchführung und Realisierung von Synergien aufgefallen ist, habe ich auch bei dieser Transaktion Vertrauen in die Fähigkeiten des Managements.

Quelle: Vonovia-Präsentation zur DW-Übernahme S. 17

Politische Folgen

Die politischen Folgen möchte ich an dieser Stelle relativ kurzfassen. Man nähert sich an den Berliner Senat an, indem man ihn in dem Vorhaben unterstützt weitere Wohnungen in die öffentliche Hand zu überführen sowie die Mietsteigerungen zu begrenzen. In den Pressekonferenzen hat sich der Bürgermeister Müller recht erfreut über diese Zugeständnisse gezeigt und die Wichtigkeit der Zusammenarbeit von Konzernen und Politik betont. Hier scheint das Konfrontationsrisiko etwas verringert worden zu sein. Nachdem der Berliner Mietendeckel als verfassungswidrig erklärt wurde, weil das Land keine Gesetzgebungsbefugnis hat, wird sich mit der BTW entscheiden, ob die Diskussionen über einen bundesweiten Mietendeckel kommen (falls RRG in die Regierung gewählt wird) oder ob dieses Vorhaben gänzlich scheitert (falls Schwarz-Grün die Regierung stellt).

Somit ist es für die Übernahme der DW gar nicht mehr entscheidend, dass ein Großteil der Wohnungen in Berlin steht, da ein bundesweiter Mietendeckel ohnehin alle Wohnungen deutschlandweit betreffen würde. Das Risiko ist also sowohl mit als auch ohne Übernahme nahezu dasselbe und hängt wie bereits erwähnt maßgeblich an der Bundestagswahl. Aktuelle Umfragen zeigen wieder ein entspannteres Bild als noch vor wenigen Wochen, die Wahrscheinlichkeit für RRG ist wieder deutlich gesunken.

Fazit

Eine Übernahme der Deutsche Wohnen ergibt aus strategischer Sicht Sinn. Man baut seine Stellung als Europas größter Vermieter weiter aus und kann hohe operative Synergien realisieren. Das finanzielle Profil von Vonovia verbessert sich deutlich, da der operative Gewinn pro Aktie um 15% ansteigt, während der Abschlag zum Immobilienwert in etwa konstant bleibt. Man verbessert zudem das Verhältnis zum Berliner Senat, während das politische Risiko insgesamt entscheidend von der Bundestagswahl abhängt. Daher bleiben auch in Zukunft die verschiedenen Wahlumfragen und politischen Stimmungen ein entscheidender Faktor in der Festlegung der Positionsgröße im Wikifolio, die Übernahme an sich sehe ich nach anfänglichen Zweifeln als sehr positiv an.

Ich freue mich über jede Bewertung, Anmerkung und Kritik:
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Dieser Beitrag hat 9 Kommentare

  1. Robert

    Hallo Bastian, Danke dir für die super Analyse / Einschätzung. Du hattest Vonovia ja stark reduziert aufgrund der RRG-„Gefahr“. Nachdem diese „Gefahr“ ja wie auch von dir geschrieben jetzt mit jeder Woche kleiner wird, würde ich vermuten, dass du den Anteil im Wikifolio wieder erhöhst oder? Weil letztendlich musst du die Entwicklung / das Wahlergebnis ja „vorwegnehmen“. Es wird ja nichts bringen wenn du erst nach der Wahl im September wieder den Anteil erhöhst (wenn RRG nicht an die Macht kommt). Oder wie siehst du das?

    1. Bastian Brach

      Hallo Robert,

      korrekt, das ist ungefähr die Strategie. Ich werde jetzt nicht jede Woche anpassen, aber bei größeren Veränderungen und schrittweise. Das wird natürlich auch abhängig davon, wie hoch ich das Potential der anderen Aktien einschätze. Mittelfristig kann ich mir jedoch einen Depotanteil von 20% gut wieder vorstellen.

      VG Basti

  2. Anton

    Hallo Bastian,

    vielen Dank für deine interessante Analyse! Siehst du gar kein Risiko durch das Volksbegehren („DW & Co enteignen“) in Berlin, dass vermutlich parallel zur Bundestagswahl zur Abstimmung stehen wird?

    1. Bastian Brach

      Moin Anton,

      zuerst einmal müssen im letzten Monat noch genügend Unterschriften gesammelt werden (ca. 20% fehlen noch). Wenn die Quote erreicht wird, dann wird es neben der BTW eine Abstimmung geben. Jedoch lehnen alle Parteien außer die Linke eine solche Enteignung ab, sodass fraglich ist, ob der Volksentscheid eine Mehrheit findet. Selbst wenn dieser eine Mehrheit findet wäre eine Enteignung verfassungsrechtlich wohl nur mit entsprechender Entschädigung mit dem Marktwert möglich.

      Die Details sind natürlich noch nicht abschließend geklärt, aber auch die jüngste Zusammenarbeit mit dem Berliner Senat sollte hier hilfreich gewesen sein. Dass eine Enteignung zum Nulltarif stattfinden wird halte ich für relativ ausgeschlossen.

      VG Basti

  3. David

    Hey Basti,

    mal etwas Off-Topic:

    Vor einigen Monaten hast Du, glaube ich, erwähnt dass du L&S-Aktien beobachtest/hältst. Q1 war ja erneut ein Rekordquartal und die Zahlen von Ende 2020 konnten nochmal übertroffen werden. Ich weiß nicht, wie tief Du in den Zahlen drin bist, da es ja kein Teil des Wikifolios ist. Aber wie siehst Du Lang und Schwarz aktuell bzw. für 2021 fair bewertet?

    Falls Du da keine genauen Infos hast, ist das aber auch kein Problem.

    Danke für deine Transparenz und Deine stets aktuellen und gut ausgearbeiteten Berichte!

    Viele Grüße
    David

    1. Bastian Brach

      Moin David,

      ich denke nach Corona und mit dem Sommer wird das Interesse an Trading erst einmal wieder leicht zurückgehen. Langfristig sehe ich aber enorme Chancen, vor allem durch die jüngste Finanzierungsrunde von Trade Republic. Sollte TR tatsächlich seine Nutzerzahlen in absehbarer Zeit auf 5-10 Mio. steigern, würde Lang & Schwarz enorm profitieren. Allein vom KGV ist Lang & Schwarz noch sehr günstig bewertet und bei weitem nicht wie eine Wachstumsaktie. Daher halte ich die in meinem privaten Depot auch weiterhin.

      VG Basti

      1. David

        Danke für Deine Einschätzung!

  4. Marc-Andre

    Moin moin.
    Wie ist deine aktuelle Einschätzung zur EQS-Aktie? Du hältst sie ja noch mit einem sehr kleinen Anteil im V+B wikifolio.
    MfG Marc-Andre

    1. Bastian Brach

      Moin Marc-Andre,

      die Q1-Ergebnisse waren tatsächlich nicht so toll. Es kommt drauf an, ob man mit dem erhöhten Marketing in Zukunft auch wieder ein steigendes Umsatzswachstum erzielt (bsp. durch die EU-Vorschrift zum Whistleblowing) oder ob man tatsächlich auch in Zukunft nur 20% Wachstum erzielen kann (was enttschäuschend wäre). Ist für mich insgesamt nur eine Halteposition aktuell. Wenn du andere vielversprechendere Unternehmen auf der Watchlist hast, die deutlich mehr abgestraft worden sind könnte ein Tausch aber natürlich Sinn ergeben.

      VG Basti

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