Am gestrigen Tag hat Vonovia seine Q2-Zahlen veröffentlicht und dabei leicht positiv überrascht. Generell sind die Zahlen immer recht nah an den Prognosen, was an dem sehr sicheren Geschäftsmodell liegt.
Q2-Ergebnisse
Die Mieten sind um 3,9% im Vergleich zum Vorjahr gestiegen und das Ergebnis pro Aktie um 11%. Hier muss man jedoch im Hinterkopf behalten, dass die neuen Aktien aus der Aktiendividende zum Ende des 2. Quartals noch nicht ausgegeben wurden, die Zahl somit leicht nach oben verzerrt ist. Trotz der Coronakrise, in denen ein geringer Teil der Mieter ihre Miete nicht zahlen konnte, und der Mietendeckelung in Berlin erwartet Vonovia nun, dass das operative Ergebnis in der oberen Hälfte der Jahresprognose liegen wird (Jahresprognose: 1,875 Mrd. – 1,925 Mrd. €; Analystenprognose: 1,83 Mrd. €; meine Prognose: 1,92 Mrd. €)
EPRA führte neue Erfolgsmetriken ein
Zudem wurden vom Immobilienverband EPRA neue Metriken eingeführt, die zu einer realistischeren Bewertung von Immobilienunternehmen führen soll. Der genaue Unterschied zu den bisherigen Metriken wurde im Conference Call erläutert, ist jedoch sehr technisch und schwierig zu verstehen:
Die neue Metrik Net Tangible Assets (NTA) misst den langfristigen Portfoliowert der Immobilien unter der Annahme, dass Wohnungen, die in der Zukunft nicht zum Core-Portfolio gehören, verkauft werden und das Core-Portfolio für immer gehalten wird. Durch die Halteabsicht des Core-Portfolios wird keine Grunderwerbsteuer fällig, die jedoch bei der bisherigen Betrachtung des NAV bereits vom Portfoliowert abgezogen wurde. Vereinfacht gesagt misst der NTA den Wert aller Wohnungen abzüglich Schulden (ähnlich zum NAV vorher).
Die Metrik Net Reinstatement Value (NRV) misst den langfristigen Portfoliowert der Immobilien unter der Annahme, dass alle Wohnungen für immer gehalten werden. Dadurch wird auch bei den non-Core-Immobilien die evtl. fällig werdende Grunderwerbsteuer wieder zum Wert addiert, da hier die Annahme besteht auch diese Wohnungen für immer zu halten. Zusätzlich wird hier auch noch der Wert der weiteren Geschäftsfelder (Value-Add, Construction to hold/sell) berücksichtigt. Vereinfacht gesagt misst der NRV den Unternehmenswert von Vonovia inklusive aller Geschäftsfelder (die genaue Erläuterung der Geschäftsfelder finden Sie im ersten Artikel zu Vonovia).

Vor allem der NRV wird zukünftig sehr wichtig werden und ich gehe davon aus, dass sich die meisten Investoren an dieser Metrik orientieren werden, um den fairen Wert der Vonovia-Aktie zu ermitteln. Ich gehe davon aus, dass sich der Aktienkurs (aktuell 57€) mittelfristig diesem Wert nähern wird, nachdem der Kurs in der Vergangenheit sehr stark vom NAV abhängig war. Somit bietet sich allein durch diese neue Metrik (die zwar nichts am Geschäftsmodell an sich, aber an der Wahrnehmung des Geschäftsmodells durch Investoren ändert).
Zudem sollte man bedenken, dass es sich bei diesem Wert weiterhin um den buchhalterischen Wert handelt und nicht um den Marktpreis. Der buchhalterische Wert wird in Abhängigkeit des Zinsniveaus und der erwarteten zukünftigen Cashflows ermittelt. Der Marktpreis liegt jedoch aktuell knapp 40% höher, was sich in der folgenden Grafik erkennen lässt.

Wenn man den NRV mit den aktuellen Marktpreisen berechnet, dann würde sich aufgrund des Leverage-Effekts ein Wert von knapp 60 Mrd. € bzw. 110€/Aktie ergeben. Ob es realistisch ist knapp eine halbe Million Wohnungen zum Marktpreis zu verkaufen sei mal dahingestellt. Dennoch zeigt es, wie weit der buchhalterische Wert unter dem tatsächlichen Wert liegt.
Sonstige Faktoren
Neben den operativen Faktoren entwickeln sich auch die nicht-beeinflussbaren Faktoren für Vonovia sehr gut:
- Das Zinsniveau ist fast wieder am Rekordtief angelangt, was die Refinanzierungskosten senkt
- Die Linken-Politikerin Katrin Lompscher, die den Mietendeckel entworfen und durchgedrückt hat, ist vor kurzem wegen Unterschlagung und Steuerhinterziehung zurückgetreten
- Der Mietendeckel steht immer mehr auf wackeligen Beinen, nachdem in Bayern ein ähnliches Gesetzesvorhaben als verfassungswidrig erklärt wurde
Insgesamt also eine gute Zeit, um Vonovia-Aktionär zu sein. Weiterhin sind es vor allem politische Risiken, die mittelfristig zum Problem werden könnten, dies muss man weiter beobachten. Das operative Geschäft läuft auf jeden Fall weiterhin sehr gut, der kurze Absturz während Corona war eine gute Nachkaufgelegenheit, den wir damals durch Nachkäufe auch im Wikifolio genutzt haben. Die Aktie ist weiterhin am zweithöchsten gewichtet.
Hinweis: Da die einzelnen Metriken und Berechnungen relativ kompliziert sind, bin ich natürlich gerne bereit dazu Verständnisfragen zu beantworten. Am besten schreiben Sie einfach einen Kommentar unter diesen Artikel, damit die Antwort für alle interessierten Leser verfügbar ist.
Gratulation Herr Brach
zu Ihrem „predictable“ Power Performance Wikifolio, welches ich gerade erst entdeckt habe 🙂 Ist dort der aktuelle Hinweis zum Vonoiva Verkaufswert von 57,78 quasi als ein profit stop loss zu interpretieren ?
Jedenfalls Danke für die excellente Aktien- Analyse !
Mit besten Grüßen vom Woog
Ulrich Diefenbach
Hallo Herr Diefenbach,
Vonovia ist aktuell fair bewertet, aber hat in Zukunft weiterhin gute Chancen 10-12% jährlich zu wachsen. Über einen Verkauf würde ich nur dann nachdenken, wenn der Aktienkurs weit über dem fairen Wert liegt.
Viele Grüße