Überblick
- Teladoc ist Marktführer im Bereich der Telemedizin
- Über Videokonferenzen, Telefonate und Apps wird Kunden auf Abruf eine medizinische Erstversorgung und Untersuchung ermöglicht
- Großteil der Umsätze stammt aus den USA, weltweite Expansion steht gerade erst am Anfang und bietet erhebliches Potential
- In 2020 erzielte Teladoc knapp 1,1 Mrd. $ Umsatz (+97% YOY) und war im Gegensatz zu vielen anderen Tech-Unternehmen operativ profitabel
- Der Zusammenschluss mit Livongo eröffnet neue Märkte und bringt neue Technologien in das Unternehmen
- Hohe Margen und Wachstumsraten rechtfertigen die Bewertung
Geschäftsmodell
Der Gesundheitsmarkt ist einer der Bereiche, die bislang relativ wenig Disruption durch neue Technologien erfahren haben. Zwar hat sich die Ausstattung von Ärzten und die medizinischen Geräte deutlich verbessert, aber der Gang zum Arzt läuft fast genauso ab wie vor 30 Jahren. Die alternde Bevölkerung und die Ineffizienz des Gesundheitssystems lassen die Kosten in den westlichen Ländern deutlich ansteigen, der Bedarf an medizinischer Behandlung und Produkten wird in Zukunft deutlich zunehmen. Zudem handelt es sich um einen atypischen Markt, indem nicht der Patient, sondern die Krankenversicherung die Kosten für eine Behandlung übernehmen muss, was verschiedene Implikationen für die Preismodelle von Teladoc mit sich bringt.
Teladoc bietet seine Dienstleistungen üblicherweise Versicherungsunternehmen und Arbeitgebern an und erhält eine jährliche oder monatliche Gebühr in Abhängigkeit von der Anzahl der Versicherungsnehmer bzw. Arbeitnehmer. Zusätzlich wird eine Gebühr pro Untersuchung fällig. Bei Beschwerden wie Grippe, Infektionen, psychischen und dermatologischen Problemen kann der Patient in wenigen Minuten Kontakt zu einem der 55.000 Ärzte aufnehmen, die an das Teladoc-Netzwerk angeschlossen und auf verschiedene Bereiche spezialisiert sind. Laut Teladoc wurden im Jahr 2019 durch eine solche Untersuchung 92% der Beschwerden gelöst, die restlichen Patienten konnten nicht via Videocall behandelt werden und wurden weitergeleitet. Dieser Prozess ist deutlich effizienter, da zum einen der Patient direkt behandelt wird (ohne Fahrt zum Arzt und Wartezeiten) und zum anderen der Doktor nicht erst Tests und Datenabfragen machen muss, da diese in einer virtuellen Krankenakte bereits vorliegen, auf welche der behandelnde Arzt zugreifen kann. Somit bleibt mehr Zeit für das Gespräch mit dem Patienten.
Im vergangenen Jahr hat Teladoc sich mit dem Unternehmen Livongo zusammengeschlossen. Livongo hat seinen Fokus auf die dauerhafte Überwachung chronischer Krankheiten (Diabetes, Bluthochdruck, Übergewicht) gelegt und hilft Patienten bei Messung und Überwachung. Auch hier werden im Vergleich zum klassischen Verfahren deutliche Effizienzgewinne erzielt, die zukünftig durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz noch weiter zunimmt. Falls die Patientenwerte aus der Norm fallen, so werden die Patienten von Gesundheitsexperten informiert und kontaktiert, sodass mögliche gesundheitliche Probleme frühzeitig erkannt und gelöst werden. So sinken beispielsweise die Kosten für Diabetes-Patienten laut Livongo um 180$/Monat. Auch dies bietet einen großen finanziellen Anreiz für Krankenversicherer Livongo zu nutzen.
Wachstumspotential
Marktgröße
Der globale Markt für Telemedizin war in 2019 111 Mrd. $ groß und wird nach den Analysen von VynZ mit 29% CAGR bis 2025 wachsen. Allerdings betrachtet diese Analyse noch nicht die Auswirkungen der Corona-Krise, welche die Akzeptanz von virtuellen Meetings deutlich erhöht haben sollten. Allein in den USA beziffert Teladoc den adressierbaren Markt auf 121 Mrd. $. Für Teladoc bietet sich als Marktführer somit noch deutliches Wachstumspotential, da der Markt erst am Anfang steht und das größte Wachstum erst in den nächsten Jahren erfolgt.

Geografische Expansion
Neben der US-Expansion steht vor allem die Ausbreitung nach Europa, Kanada, Australien, den Mittleren Osten und Teilen von Asien im Fokus. In diesen Ländern steht die Expansion gerade am Anfang und wird in den kommenden Jahren deutlich beschleunigt werden. Der Fokus liegt erst einmal jedoch auf den USA, Livongo plant in 2025 einen Anteil von nur 5% des Umsatzes durch das internationale Geschäft. Teladoc plant mit einem höheren Anteil an internationalen Umsätzen, doch auch hier konzentriert man sich zunächst auf die Marktdurchdringung in den USA. Aufgrund des digitalen Geschäftsmodells sind die Skaleneffekte sehr hoch und eine Expansion erscheint einfacher als mit physischen Produkten.

Synergien mit Livongo
Der wohl größte Vorteil des Zusammenschlusses entsteht durch das Cross-Selling. Die Kundengruppen beider Unternehmen überschneiden sich nur zu 25%, sodass hohes Potential darin besteht, dass man Teladoc-Kunden für Livongo und Livongo-Kunden für Teladoc gewinnt. Diese Strategie würde sehr kostengünstig (ohne hohe Marketingkosten) zusätzliche Umsätze generieren. Zusätzlich kann eine Internationalisierung von Livongo deutlich beschleunigt werden, wenn Teladoc bereits in den Zielländern vertreten ist und auch hier Kunden für Livongo gewinnen kann. Weiterhin ergeben sich auf der Kostenseite erhebliche Synergien durch die Zusammenlegung einzelner Abteilungen und dem streichen überflüssiger Positionen.

Bewertung
Die Marktgröße und das hohe Wachstum der Branche wird sich positiv auf Teladoc auswirken. Als Marktführer profitiert das Unternehmen besonders davon. In 2021 wird man erstmals über das volle Jahr die Umsätze von Livongo bilanzieren, sodass hier ein Umsatzsprung auf bis zu 2 Mrd. $ möglich ist. Zudem erwartet man in den nächsten Jahren ein Umsatzwachstum von 30%-40% vor den eben genannten Synergiepotentialen, welche nochmals 500 Mio. $ bis 2025 betragen und das tatsächliche Umsatzwachstum auf 40%+ heben sollten.

Neben dem Wachstum ist auch die operative Marge entscheidend für die Bewertung der Aktie. Auch hier überzeugen sowohl Teladoc als auch Livongo mit Margen im einstelligen Prozentbereich, besonders wenn man bedenkt wie klein der Markt und wie hoch das Wachstum aktuell noch ist. Gerade im Vergleich zu anderen Technologie-Unternehmen kann man sich schon früh selbst finanzieren. Das Management rechnet für 2023 mit operativen Margen von 15%-18% vor Synergieeffekten, also knapp 20% nach Synergien. Auch in den darauffolgenden Jahren sehe ich erhebliche Skaleneffekte im Bereich Marketing und Verwaltungskosten. Diese beiden Bereiche machten in den ersten 9 Monaten 2020 über 40% des Umsatzes aus und sollten bei weiterer Expansion nur unterproportional wachsen.
Aufgrund der Marktgröße, der Marktposition, des Umsatzwachstum und der bereits jetzt hohen Marge ist das Umsatzmultiple deutlich höher als bei E-Commerce-Unternehmen. Auch dadurch, dass das Unternehmen in den USA notiert ist, wo Anleger einen sehr deutlichen Aufschlag für Wachstumsunternehmen zahlen, erhöht sich die Marktbewertung weiter. Zum Zeitpunkt des Kaufs lag das KUV für das Jahr 2021 bei ca. 14, meine faire KUV-Spanne liegt bei 15-25.
Risiken
Wie in jedem anderen Unternehmen gibt es auch bei Teladoc Risiken, die den Erfolg des Unternehmens und somit auch die Entwicklung der Aktie gefährden könnten. Hier muss man vor allem eine mögliche Kapitalerhöhung im Auge behalten, da Teladoc zwar mittlerweile profitabel ist, aber eine Internationalisierung hohe Anlaufkosten mit sich bringen würde. Dadurch werden die Altaktionäre verwässert. Zudem besteht ganz konkret das Risiko, dass die Zusammenführung von Teladoc mit Livongo nicht so gut funktioniert wie erhofft. So könnte das Synergie-Potential sowohl auf der Einnahmen- als auch Ausgabenseite überschätzt worden sein oder es gibt andere Probleme. Gerade bei solch großen Übernahmen kommt es häufiger zu Problemen, bisher gab es dafür bei Teladoc allerdings noch keine Anzeichen. Zuletzt sollte man die Marktposition von Teladoc auch in Zukunft im Auge behalten, da ein höherer Marktanteil deutliche Vorteile für Unternehmen mit sich bringt und dieser Vorteil auch in Zukunft weiterhin aufrechterhalten werden sollte. Hier sehe ich Teladoc jedoch gut aufgestellt.
Fazit
Teladoc ist als Marktführer in einem der spannendsten Märkte hervorragend positioniert, um über viele Jahre hohe Wachstumsraten und Gewinne zu erzielen. Bereits bei geringen Umsätzen hat man gezeigt, dass das Geschäft hochprofitabel ist und schnell skaliert werden kann. Es hilft nicht nur Patienten, sondern auch Krankenversicherungen dabei Kosten zu sparen und dadurch das ganze Gesundheitssystem zu entlasten. Die Bewertung ist für ein solches Unternehmen weiterhin angemessen und gerade im Vergleich zum US-Tech-Sektor eher günstig, vor allem im Vergleich zu unprofitablen Unternehmen mit deutlich höheren Risiken. Wenn Teladoc die Marktführerschaft verteidigen und die nationale sowie internationale Expansion erfolgreich vorantreiben kann, dann ist das Wachstumspotential des Unternehmens und der Aktie mehr als aussichtsreich. Aktuell ist die Aktie mit knapp 8% im Wikifolio gewichtet.
Hallo Bastian,
vielen Dank für die – wie immer – sehr gute Darstellung einer neuen Aktie.
Könntest du bitte die Quelle angeben für folgenden Satz „In 2020 erzielte Teladoc knapp 1,1 Mrd. $ Umsatz (+97% YOY) und war im Gegensatz zu vielen anderen Tech-Unternehmen operativ profitabel“. Auf wer Website ist bisher (logischerweise) nur Q3/2020 ersichtlich und dort ist man operativ (ohne Merger-Kosten) positiv mit +5Mio. USD. Im 9M-Zeitraum ist man auch ohner die Merger-Kosten noch negativ mit -17 Mio. Da muss es ja Q4 deutlich rausgerissen haben oder liegt das schon am Merger?
Die Gefahr der Verwässerung sehe ich vorerst nicht, da die Gesellschaft aktuell noch auf 1,1 Milliarden USD sitzt und idR digitale Geschäftsmodell ja deutlich besser und kostengünstiger skalierbar sind. Vorallem wenn man schaut das bei Umsatz von 290 Mio. USD inQ3/2020 in der Cashflow-Rechnung aus operativen Geschäft bereits 69 Mio. USD erwirtschaftet werden.
Moin,
die Quelle für die knapp 1,1 Mrd. $ Umsatz ist die Seite 36 dieser Präsentation: https://s21.q4cdn.com/672268105/files/doc_presentations/2020/09/TDOC_LVGO_Investor-Presentation-9.3.2020.pdf?source=content_type%3Areact%7Cfirst_level_url%3Aarticle%7Csection%3Amain_content%7Cbutton%3Abody_link
Livongo wird erst in Q4 mit in die Bilanzierung einfließen, daher berechnet sich der Umsatz dieses Jahr aus dem Teladoc-Umsatz + Livongo-Umsatz in Q4 (ca. 100 Mio. $). Dies stimmt auch mit den Schätzungen von Marketscreener überein (https://de.marketscreener.com/kurs/aktie/TELADOC-HEALTH-INC-22762533/fundamentals/).
Dort kannst du auch die ausgewiesenen operativen Margen (AEBITDA) sehen.
Ich würde eine mögliche Kapitalerhöhung trotz des aktuellen Cash-Polsters als möglich erachten, da man bei einer schnellen geografischen oder produktbezogenen Expansion sehr viel Kapital benötigt und es fraglich ist, ob da 1,1 Mrd. + laufender Cashflow reichen würde. Aber ednnoch hilft die Profitabilität natürlich dabei, dass entweder nur wenig oder gar kein zusätliches Kapital benötigt wird.
VG Basti
Hi Bastian,
mit welcher EBIT-Marge rechnest du langfristig, wenn Teladoc es schafft die Marktführerschaft beizubehalten und weiter zu expandieren?
Gruß
Flo
Moin Flo,
die operative Marge (AEBTIDA) sollte langfristig bei gut 20% liegen. Das Ziel für 2023 liegt bei 15%-18%.
VG Basti
VG Basti
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