Nachdem der Ölpreis bereits im Zuge der Corona-Krise deutlich gesunken ist, haben sich die Aussichten zuletzt noch einmal deutlich verschlimmert. Erstmals in seiner Geschichte war der Preis für WTI-Öl negativ. Vor allem die auslaufenden Future-Kontrakte spielen eine maßgebliche Rolle.
Nachfrageeinbruch in allen Wirtschaftsbereichen
Ein deutlicher Wirtschaftseinbruch führte bereits in der Vergangenheit zu Anbegotsüberschüssen beim Öl. Die Industrie benötigte durch Produktionskürzungen weniger von dem „schwarzen Gold“, Verbraucher haben weniger Flüge und Kreuzfahrten gebucht.
Doch in Zeiten von Corona zeigt sich dieses Phänomen besonders: Flüge und Kreuzfahrten finden nahezu nicht mehr statt, durch Ausgangssperre und Home-Office gehen Autofahrten deutlich zurück und Industrieunternehmen verringern die Produktion drastisch. Die Nachfrage nach Öl bricht ein. Doch dies allein würde noch nicht zu einem negativen Ölpreis führen.
Angebotskürzungen kommen nur schleppend voran
Wäre es den Mineralölkonzernen gelungen, das Angebot ebenso schnell herunterzufahren, dann wäre der Einbruch deutlich geringer gewesen. Negative Ölpreise hätte es auf jeden Fall nicht gegeben. Doch in der Praxis stellt sich dies nicht so einfach da. Raffinerien und Fracking-Unternehmen haben erhebliche Kosten, wenn sie die Produktion einstellen und zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufnehmen wollen. Daher muss genau kalkuliert werden, ob es nicht günstiger ist das Öl für einen kurzen Zeitraum zu einem niedrigen Preis anzubieten.
Ein weiterer Punkt für den Angebotsüberschuss ist die Uneinigkeit der OPEC (vor allem Russland und Saudi-Arabien). Diese konnten sich nicht auf substanzielle Förderkürzungen einigen – und sind somit mitverantwortlich für den negativen Ölpreis.
Futurekontrakt für Mai besonders betroffen
Der eigentliche Grund für einen negativen Ölpreis liegt jedoch in den sogenannten Future-Kontrakten. Wer einen solchen Future-Kontrakt am Ende der Laufzeit besitzt, der bekommt das Öl zu dem festgelegten Zeitpunkt geliefert. Viele Ölhändler und -spekulanten sind jedoch gar nicht an der physischen Lieferung von Öl interessiert. Denn die Lagerung kostet Geld und auch die Öllager nähern sich langsam der Kapazitätsgrenze. Daher müssen die Händler ihren Kontrakt rollieren – also den Mai-Future verkaufen und den Juni-Future kaufen.
Wenn nun viele Marktteilnehmer gleichzeitig ihren Mai-Kontrakt verkaufen müssen, dann kommt es zu solchen Preisstürzen. Ölspekulanten sind sogar gezwungen ihre Papiere zu verkaufen, egal zu welchem Preis. Denn für diese wäre es mit einem noch viel größerem Aufwand verbunden, das physische Öl entgegenzunehmen und zu lagern bzw. weiter zu verkaufen.
Negativer Ölpreis auch beim Juni-Future?
Es ist aktuell mehr als unwahrscheinlich, dass die Ölnachfrage in den nächsten 4 Wochen deutlich ansteigen wird. Corona belastet die Wirtschaft weiterhin. Kann es also in einem Monat zu einem ähnlichen Szenario beim Ölpreis kommen? Ich halte dieses Szenario für eher unwahrscheinlich. Der negative Ölpreis kam unter anderem dadurch zustande, dass viele Marktteilnehmer überrascht wurden und zum schnellen Verkauf gezwungen waren. Diese werden in einem Monat besser auf eine solche Situation vorbereitet sein – wenn sie sich nicht ohnehin ganz aus dem Markt zurückziehen. Bereits heute zeigt sich eine Erholung des Mai-Kontrakts. Von -37$ stieg der Öl-Future wieder auf einen Preis von aktuell knapp unter 0$ an.
Wieso vielen europäische Airlines die negativen Ölpreise sogar schaden, erfährst du in diesem Artikel (Stichwort: Fuel Hedging).