Kommentar zur aktuellen Lage

Die Börsen sind aktuell im Krisenmodus. Aktien schwanken täglich um teilweise mehr als 10% ohne irgendeine Unternehmensnachricht, nach Quartalszahlen sind Ausschläge um 20% nach oben oder unten selbst bei Schwergewichten wie Amazon eher Regel als Ausnahme. Auch Indikatoren wie der Fear-and-Greed-Index zeigen extreme Angst bei den Anlegern an. Für viele Wachstumsaktien sieht es jetzt schon wie der Dot.Com-Crash 2.0 aus, mit Abschlägen von 80-90%. Im Zuge dessen werden (wie bereits in den vergangenen Krisen auch schon) selbst die guten Unternehmen, die weder Wachstumseinbrüche noch Kostenprobleme haben, mitgerissen und können sich der allgemein schlechten Stimmung nicht entziehen.

Aktuell scheint es zudem mehr als wahrscheinlich, dass wir in der westlichen Welt eine Rezession erleben werden – Grund hierfür sind neben den Notenbankstraffungen auch die hohen Ölpreise, welche die Importe verteuern. Im ersten Moment scheint es für neue Anleger in einer solchen Situation wohl am besten alle Aktien zu verkaufen und zu warten, bis die Krise vorbei ist bzw. bis die Rezession sich wieder in ein Wachstum gewandelt hat. Wenn man sich jedoch die Finanzkrise 2008 oder auch die Coronakrise 2020 anschaut, dann war dies oftmals genau die falsche Entscheidung.

Der optimale Zeitpunkt zum Einstieg/Ausstieg

So begann der Wirtschaftsrückgang 2008 in den USA in Q4, das erste positive Wachstum wurde erst wieder in Q1 2010 verzeichnet. Dennoch hat der Nasdaq sein Tief im November 2008 verzeichnet; zu einem Zeitpunkt, wo noch eineinhalb Jahre Krise vor dem Markt lagen. Als die USA in 2010 zum ersten Mal wieder Wachstum verzeichnen konnten, stand der Nasdaq bereits mehr als doppelt so hoch wie im Tief 2008 und fast wieder auf dem Vor-Krisen-Niveau. Ähnliches in der Coronakrise: Während die Pandemie Mitte März 2020 noch nicht einmal wirklich in den USA angekommen war und die Wirtschaft bis Q4 2020 einbrach, lag der Tiefpunkt im Nasdaq bereits am 20. März 2020. Auch wer hier bis zum Wiederaufleben des Wirtschaftswachstums gewartet hat, der hat knapp 100% Kursgewinn seit dem Tiefpunkt verpasst.

Wann ist also der optimale Ausstieg und Einstieg? Das kann man leider nur hinterher sagen. Die Vergangenheit lässt darauf schließen, dass in etwa dann der Tiefpunkt erreicht ist, wenn die Negativstimmung am Höhepunkt ist. Doch auch dies ist nur im Nachhinein zu bestimmen. Selbst wenn die Kurse ab heute um 20% steigen würden (wie es im aktuellen Absturz schon mehrfach geschehen ist), weiß man nicht ob dann ein guter Einsteigszeitpunkt ist oder noch ein neuerlicher Absturz kommt. Ich denke, dass man aktuell durch wildes Hin- und Herhandeln deutlich mehr Schaden im Depot anrichten, als dass man schnelle Bewegungen im Markt optimal treffen und damit Geld verdienen kann.

Unternehmen

Was für den Markt gilt, der sich nach vergangenen Krisen immer wieder erholt hat, muss jedoch nicht zwangsläufig für einzelne Unternehmen gelten. Auch in vergangenen Krisen haben viele Unternehmen die Schwächephase nicht überlebt oder haben Jahrzehnte gebraucht, um an alte Höchststände anzuknüpfen. Spätestens jetzt wäre also der Zeitpunkt sein eigenes Portfolio dahingehend zu überprüfen wie krisensicher die Unternehmen aufgestellt sind. Nachfolgend mache ich das für die größten Portfolio-Unternehmen:

Hellofresh

Umsatzseite

In einem der letzten Wochenrückblicke bin ich bereits auf die Konsumentwicklung in Krisenzeiten eingegangen. Bei der untersuchten Studie, die sich auf die Zeit der Finanzkrise 2008/09 bezieht, fanden die Autoren heraus, dass sich die Ausgaben für das Essen zuhause nahezu nicht veränderten bzw. sogar zunahmen, weil die Verbraucher weniger in Restaurants gegangen sind. Auch gab es keine große Verschiebung von teureren Vollsupermärkten hin zu Discountern. Daraus lässt sich die These ableiten, dass die Umsätze von Hellofresh nicht negativ betroffen sind, sollte es zu einer Rezession kommen.

Diese These wird zum einen dadurch gestützt, dass Q1 deutlich über den Erwartungen geendet ist, mit mehr Neukundenakquisitionen und höheren Umsätzen als gedacht, obwohl die Inflation bereits deutlich spürbar war und auch der Krieg ab Ende Februar deutlich negative Auswirkungen auf das Verbrauchervertrauen hatte – viele andere E-Commerce-Player (inkl. Amazon) hatten hier mit Negativwachstum zu kämpfen. Zum anderen lassen sich in den Alt-Daten keinerlei Krisenanzeichen finden. Dies sieht man in der nachfolgenden Grafik der Google-Trends-Daten von Hellofresh im Jahr 2019 und 2022 bis zum heutigen Tag. Google-Trends war regelmäßig ein guter Indikator für die Neukundengewinnung. Das Jahr 2019 habe ich als Vergleich gewählt, weil dies das letzte Pre-Covid-Jahr war mit hervorragendem Wachstum von über 50% im Vergleich zu 2018. Man sieht in den Kurven „HF 2019“ und „HF 2022“ gut die verstärkten Marketingaktivitäten zu Beginn des Jahres, die dann langsam abflachen.

Die grüne Linie „Relation“ zeigt das Verhältnis der beiden dunklen Graphen an. Wenn diese in etwa konstant ist (wie hier der Fall mit einer Schwankung um den Wert 1,2), dann bedeutet es, dass die Saisonalität bei der Neukundengewinnung genau dem Jahr 2019 entspricht. Es kam bisher also sowohl durch den Ukrainekrieg, als auch durch Rezessions- und Inflationssorgen zu keinerlei Einbruch der Neukundenakquise. Sollte sich dieser Trend bestätigen, dann können wir davon ausgehen, dass Hellofresh nahezu nicht betroffen ist und dieselben Umsätze verbucht, die man auch in einem „normalen“ Szenario erreicht hätte.

Kostenseite

Dies sagt jedoch noch nichts über die Kostenstruktur aus. Hier wird sich zeigen, wie die Lebensmittelinflation in den kommenden Quartalen auf Hellofresh wirkt, in Q1 waren die Ergebnisse jedoch sehr gut und über den Planzielen um die Ergebnisprognose für 2022 zu erreichen. Positiv könnte Hellofresh bei den Marketingkosten überraschen. Die Krise der restlichen E-Commerce-Unternehmen wird zuerst zu Einsparungen im Marketing führen, sodass die Kosten für Facebook- und Google-Werbung sinken könnten. Dies lies sich bereits im April beobachten wo die CPMs bei Facebook in den USA um 11% YOY gesunken sind, während diese bis Februar diesen Jahres noch deutlich anstiegen.

Doch während andere Unternehmen aus der nichtzyklischen Konsumgüterbranche (Nestle, Unilever, etc.) noch nahe am Allzeithoch stehen, wird Hellofresh aktuell schlicht als E-Commerce-Unternehmen eingestuft und muss denselben Absturz erleiden. Sollte Hellofresh meine genannten Thesen tatsächlich bestätigen (den ersten Hinweis darauf gibt es mit den Q2-Zahlen), dann sollte auch die Aktie sich wieder deutlich erholen. Das KGV für nächstes Jahr liegt mit meinen Gewinnannahmen aktuell im Übrigen nur noch bei 10.

Delivery Hero

Geografische Verteilung

Bei Delivery Hero habe ich aktuell den Eindruck, dass viele Anleger übersehen, in welchen Ländern das Unternehmen eigentlich tätig ist. Denn noch immer hört man regelmäßig, dass ein Wirtschaftseinbruch zu starken Einbrüchen bei Lieferdiensten führen wird (was ich zudem ebenfalls anzweifeln würde, wenn ich mir die Grafik von Uber aus meinem vorigen Artikel anschaue). Daher habe ich mir zuletzt einmal im Detail angeschaut, welche Länder nach den steigenden Ölpreisen und dem Ukrainekrieg sich wirtschaftlich besser und welche sich schlechter entwickeln als noch zu Jahresbeginn gedacht. Dazu habe ich mir die Revisionen der IWF-Wirtschaftsprognose im April sowie (falls verfügbar) die Entwicklung des Verbrauchervertrauens angeschaut und die Ländern, in denen DH tätig ist in drei Kategorien eingeteilt: Profiteure bzw. Verlierer der aktuellen Situation sowie neutrale Länder, bei denen sich wenig verändert hat.

Zu den Profiteuren gehören die erdölexportierenden Länder im Mittleren Osten sowie rohstoffreiche Länder wie Malaysia (Speise- und Erdöl) und Argentinien (Fleisch, Soja), bei denen die Exporte deutlich anziehen werden. Während die Wachstumsaussichten für Deutschland, USA und UK zuletzt um -1,7pp, -0,3pp und -1pp nach unten korrigiert wurden, erlebt bsp. Saudi Arabien einen regelrechten Boom mit aktuell 10% BIP-Wachstum und Verbrauchervertrauen auf Rekordhoch; daher hat auch der IWF die Wachstumsprognose für das Land um 2,8pp erhöht. Die genannten Länder sollte demnach von der positiven Konsumlaune im Land profitieren. Delivery Hero erzielt in diesen Ländern rund 20% – 25% seines Bestellvolumens, allein knapp 10% in Saudi Arabien.

Zu den neutralen Ländern gehören die südamerikanischen Länder ex. Argentinien/Venezuela und die asiatischen Länder ex. Malaysia/Philippinen. Diese spüren nahezu keine Auswirkungen vom Krieg, da diese Länder kein Handelsembargo mit Russland eingeführt haben und geografisch weit entfernt sind, aber auch keine großen Rohstoffexporteure sind. In diese Gruppe fällt rund 65% – 70% des Bestellvolumens.

Die Verlierer sind vor allem die europäischen Länder und die Türkei, in denen BIP-Wachstum und Verbrauchervertrauen deutlich angeschlagen sind und wo es am ehesten sein könnte, dass die Menschen an Lieferdiensten sparen. Hier erzielt DH rund 10% – 12% des Bestellvolumens.

Auswirkungen auf die Ergebnisse 2022

Insgesamt ist der Nettoeffekt der aktuellen Schwierigkeiten für Delivery Hero sogar positiv. Zwar könnte es zu Nachfrageschwächen in gut 10% des Marktes kommen, dieses wird jedoch überkompensiert durch die Nachfragestärke in über 20% des Marktes. Zudem hat die negative Börsenstimmung zwei positive Effekte: Zum einen sind alle Food-Delivery-Unternehmen (vor allem die hauptsächlich in westlichen Ländern tätigen: Uber Eats, JET, Doordash) dazu gezwungen profitabler zu werden, sodass Marketingausgaben zurückgefahren werden und sich aus ganzen Ländern zurückgezogen wird (bsp. JET in Portugal, Norwegen, Rumänien; Uber Eats in Hong Kong; Deliveroo in Spanien). Beides vermindert den Konkurrenzdruck und sollte zu einem höher als geplanten operativen Ergebnis führen. Zum anderen verlieren private Unternehmen, die auf Kapitalerhöhungen angewiesen sind, den Zugang zu frischem Kapital und müssen dadurch ebenfalls sparen oder sogar Insolvenz anmelden.

Daher wage ich jetzt die Prognose, dass Delivery Hero seine Prognose von 0-100 Mio. € positivem Ergebnis im Plattform-Geschäft in Q4 übertreffen wird und weit über 100 Mio. € operativen Gewinn erzielt. Zudem gehe ich davon aus, dass die Prognose für das Dmart-Geschäft in Höhe von negativen 525 – 550 Mio. € ebenfalls deutlich geschlagen wird und DH hier weniger als 450 Mio. € verliert und Ende nächsten Jahres dann auch hier profitabel sein wird.

Restliche Aktien

Zu Vonovia kommt noch ein eigener Artikel, wo ich die Q1-Zahlen und Aussichten einordnen werde. Bei den zyklischen Konsumgüter-Unternehmen (Home24, Westwing, Zalando, About You) sieht die Lage deutlich schlechter aus und H1 2022 wird wohl wenig Positives bringen. Der Anteil liegt hier bei insgesamt rund 11%, nachdem ich in der Vergangenheit schon bei Home24 und Westwing die Position deutlich reduziert hatte (Mitte 2020 lagen diese beiden Positionen allein bei rund 25% Gewichtung). Zu Home24 und Westwing kommt auch noch ein Artikel. Ich gehe aktuell davon aus, dass die genannten Unternehmen ab H2 2022 wieder solides Wachstum zeigen werden, welches sich dann mit Abflauen der Wirtschaftskrise wieder auf Vor-Corona-Niveau einpendeln wird.

Fazit

Der Blick auf die vergangenen Börsenwochen sind so schlecht wie seit dem Coronatief, der Finanzkrise oder der Dot.Com-Blase nicht mehr. Selbst gute Unternehmen werden wie bereits in der Vergangenheit mitgerissen und können sich dem Absturz nicht entziehen. Doch es ist auch wichtig sich zu vergewissern, welche Unternehmen man im Portfolio hat und wie sich deren Aussichten verändert haben. Im Wikifolio sind zum großen Teil Unternehmen, deren Aussichten sich sogar verbessert haben und die im Laufe des Jahres wohl sogar ihre Prognose erhöhen dürften. Dies spiegelt sich aktuell jedoch leider nicht in den Kursen wider. Während Unternehmen mit heftigen Wachstumseinbrüchen wie Peloton, Beyond Meat und Co. wohl selbst in 5 Jahren noch nicht ihren Höchststand erreicht haben, geschieht dies bei soliden Unternehmen jedoch meist relativ schnell (siehe vergangene Krisen).

Eine gute Übung in solchen Phasen ist es, sich das Szenario vorzustellen, dass die Börse ab sofort schließen und nie wieder aufmachen würde, sodass man seine Aktien nicht mehr verkaufen kann. Erträge kann man nur noch dadurch erzielen, dass die Unternehmen ihren Cashflow an die Anteilseigner ausschütten. Wenn ich mir das vorstelle, sehe ich weiterhin sehr gute Aussichten für die großen Werte im Wikifolio. Weiteres Wachstum, steigende Profitabilität, keinerlei Liquiditätssorgen und eine geringe Bewertung im Verhältnis zum Cashflow in den nächsten Jahren. Dennoch werden die nächsten Wochen weiterhin anstrengend werden und erfordern gute Nerven.

Ich freue mich über jede Bewertung, Anmerkung und Kritik:
[Total: 19 Average: 4.2]

Dieser Beitrag hat 15 Kommentare

  1. Daniel

    Vielen Dank. Bitte auf jeden Fall die Updates beibehalten und nicht auf die wenigen Miesmacher hören!!
    Finde auch die Interpretation von Google-Trend Daten vor den Quartalszahlen immer mega interessant.

  2. Oliver

    Super update, danke für deine Sicht der Dinge, ich sehe die aktuellen Zeiten als gute einstiegschance.

  3. Sepp

    super Artikel, vielen Dank für deine unermüdliche Arbeit!

  4. Florian

    Ich weiß noch, wie mir im September letzten Jahres von allen Seiten empfohlen wurde, Peloton zu kaufen. Immer hieß es, Peloton sei nicht bloß ein Corona-Aktie. Mittlerweile bin ich umso glücklicher, keine Anteile gekauft zu haben. Ich glaube, bis es da wieder bergauf geht, habe ich eine Familie mit 5 Kindern gegründet.

    An der Tatsache, dass sich mein Portfolio im Minus befindet, ändert das leider nichts. Aber ich bin, ähnlich wie du, optimistisch was die Zukunft angeht 🙂

  5. Peter

    Hallo Basti,
    es ist zwar richtig, dass der Nasdaq 2008 und 2020 noch während des Abschwungs schnell wieder angestiegen ist. Dennoch frage ich mich wieso du nicht das Platzen der dot com bubble aus dem Jahr 2000 als Vergleich heranziehst. Die damaligen Situation gleicht der heutigen aus meiner Sicht deutlich eher, wie die Situation 2008 oder 2020. So laufen auch aktuell viele hoch bewertete Technologieaktien in ihrer Bewertung deutlich zurück.
    Nach dem Crash des Nasdaq im Jahr 2000 wurden die damaligen Tiefs erst Ende des Jahres 2002 erreicht. Zudem wurden die alten Hochs aus dem Jahr 2000 erst 15 Jahre später wieder erreicht.
    Ich denke dies wäre eine treffendere Beschreibung der aktuellen Lage – vor allem wenn man ark innovation als Vergleich zu damals heranzieht. Deshalb frage ich mich wieso du das Jahr 2000 trotz viele Parallelen nicht erwähnt hast. Vielleicht kannst du dies kurz erklären. Danke!

  6. Tassilo

    At Peter.
    Wenn du dir die Bewertungen von vielen Techaktien anschaust, welche nun 70-90% gefallen sind, sind diese auf einmal billig.
    Viele von diesen sind, im Gegensatz zu 2000, bereits Cashflowpositiv, und wachsen weiter und haben mehr Eigenkapital als Schulden. Weiterhin wird Retention gemessen und man sieht das Ausgaben pro Nutzer wachsen, Performance Marketing funktioniert, Cohorten von 2021 besser performen als 2018, etc.
    Pinterest, Fiverr, Uber, Hellofresh, Upstart, Lending Club passen alle in diese Reihe.

    Heißt nicht dass morgen die Allzeithochs von diesen erreicht werden, selbst nicht in 5 Jahren. Aber eine Verdopplung von jetzigen Kursen würde viele Bewertungen immer noch relativ billig aussehen lassen.

  7. Peter

    Da hast du recht, jedoch kann sich das ganze dennoch über mehrere Jahre ziehen und niemand weiß, ob der Boden vor zwei Tagen schon erreicht war, oder ob dieser erst in 3 Jahren kommt. Das wollte ich damit sagen und darauf war mein Vergleich mit der dot com bubble bezogen. Denn auch damals haben die meisten der Unternehmen, die das Ganze überlebt haben ihren Boden erst zwei Jahre später gefunden.
    Momentan hängt das Ganze einfach an der Nachhaltigkeit der Inflation und ob wir eine Rezession bekommen oder nicht. Hat was aus einer potenziellen Mischung der 1970er mit der dot com bubble. Kann so kommen, muss aber nicht 🙂

    1. Bastian Brach

      Moin Peter,

      mein Vergleich war darauf bezogen, wie sich der Markt in vergangenen Wirtschaftskrisen (vor welcher wir aktuell wohl stehen) entwickeln wird. Da gehört die Dot.Com-Blase eher nicht dazu, da es 2000/01 keinen Einbruch der Wirtschaftsleistung gab, sondern ein Einbruch von Unternehmen die zum einen überteuert und zum anderen ohne Geschäftsmodell waren.

      Weil die Situation heute also eher mit Wirtschaftskrisen vergleichbar ist habe ich 2008 und Corona als Vergleich gewählt. Dennoch habe ich ja auch die Dot-Com Blase direkt bzw. indirekt erwähnt.

      Klar hätte ich auch noch auf die Dot-Com-Blase eingehen können und da die Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausarbeiten, aber ich dachte mir der Artikel war ohnehin schon sehr lang und so wirklich viel, außer solche Schlussfolgerungen wie („Auch in vergangenen Krisen haben viele Unternehmen die Schwächephase nicht überlebt oder haben Jahrzehnte gebraucht, um an alte Höchststände anzuknüpfen“) kann man nicht auf die aktuelle Situation übertragen.

      So waren während der Dot.Com-Bubble Unternehmen wie Amazon mit über 30 Mrd. $ bewertet, bei gut 2 Mrd. $ Umsatz – 12x Umsatz. Ende letzten Jahres lag die Bewertung von Hellofresh zum Höhepunkt bei 2,5x, obwohl HF deutlich profitabler ist. Ähnlich bei anderen mittlerweile stark abgestürzten Werten: Es war zwar gute Stimmung, aber wir waren bewertungstechnisch meilenweit entfernt von dem Hype in 2000.

      VG Basti

  8. Luna

    Hallo Bastian, mal eine Frage zu HF. Alle schreiben / sagen ja, dass die relative Leistbarkeit von HF ggü. dem Lebensmitteleinzelhandel zunimmt in inflationären Zeiten. Das mag sicher so stimmen.
    Aber ist es wirklich die RELATIVE Leistbarkeit, die so entscheidend ist? In Zeiten, wo jeder EUR umgedreht werden muss (auch von den für HF relevanten Gruppen), ist doch die absolute Leistbarkeit viel entscheidender? Nur weil HF jetzt ein bisschen leistbarer im Vergleich zum Einzelhandel ist, ist es doch trotzdem so, dass HF Kunden potenziell abspringen werden, weil HF weiterhin absolut gesehen teurer als Rewe etc. ist. Wenn ich nur 50 EUR für Essen ausgeben kann / will, dann ist mir die relative Leistbarkeit egal, dann ist Fakt, dass ich mir HF nicht (mehr) leisten kann, wenn HF mehr als 50 EUR kostet.
    Was meinst du dazu?

    1. Bastian Brach

      Moin Luna,

      das ist eine gute Frage, die ich mir auch schon gestellt habe, allerdings wird man diese erst in Zukunft beantworten können. Wir können aber schauen wie ähnliche Situationen in der Vergangenheit verlaufen sind: In der Finanzkrise 2008/09 (als ebenfalls viele Konsumenten sparen mussten) ist der Umsatz von Rewe/Edeka weiter angewachsen, es stellte sich also nicht der Effekt ein, dass die Leute auf „Premium“ verzichtet haben und nur noch bei Disountern eingekauft haben.
      Zudem muss man bedenken, dass in Deutschland die Lebensmittelpreise extrem günstig sind. In anderen Ländern kostet Hellofresh relativ gesehen schon jetzt in etwa so viel wie der Supermarkteinkauf.

      Zudem verfügen mehr als 90% der Hellofresh-Haushalte in den USA über ein jährliches Einkommen >50k, 65% über ein Einkommen >100k. Ob diese den Service kündigen, weil er 3-4$ bzw. 5% pro Woche teurer wird (während Lebensmittel 10% teurer werden), würde ich bezweifeln. Haushalte die wirklich in Geldnot kommen und beim Essen sparen müssen waren vorher wahrscheinlich schon kein Kunde.

      Aber natürlich muss man dies weiter beobachten. In Q1 wurde die These bestätigt, dass HF Preiserhöhungen problemlos an Kunden weitergeben kann, hier hat man keinerlei Auswirkungen bei Bestellrate oder Kundenanzahl gesehen. In den kommenden Quartalen muss man sich dies noch einmal anschauen.

      VG Basti

  9. Emre

    Wie ist deine Einschätzung zu Home24 und Westwing? Du schreibst, dass die ab Q2 2022 wieder solides Wachstum zeigen werden. Die Lieferengpässe bestehen weiterhin, Inflation treibt die Preise hoch (und wie man bei Walmart sehen kann können selbst bei Basiskonsumgütern die Preise nicht 1:1 an Kunden weitergegeben werden), wirtschaftlich rutschen wir in eine Rezession, steigende Zinsen sorgen für höhere Finanzierungskosten, die Kaufkraft der Kunden lässt nach und man wird eher weniger Geld für Möbel ausgeben. Vom KUV aktuell günstig bewertet, ich sehe aber auf die nächsten 2-3 Jahre kein weiteres Wachstum und auch keine positive Marge. Westwing soll in den nächsten 4 Jahren seinen Umsatz auf eine Mrd. verdoppeln. Hältst du das für realistisch bei dem aktuellen Marktumfeld?

    Btw: Ich finde z.B. bei Westwing auf Instagram 1,8 Mio. Follower für den deutschsprachigen Raum sehr stark, aber die Interaktionen sind ein Witz. Da haben Influencer mit weniger als 50k Abonnenten mehr Interaktionen.

    1. Bastian Brach

      Moin Emre,

      bei Home24 und Westwing ist ab H2 wieder mit Besserung zu rechnen. Natürlich hängt auch viel von der Wirtschaftslage und dem Verbrauchervertrauen ab. Wenn dieses anhaltend tief bleibt und die Konsumenten sparen müssen, dann wird das Wachstum niedriger sein. Ich halte die Mittelfristziele bei beiden nicht mehr für realistisch bzw. nur wenn sich die aktuelle Wirtschaftskrise schnell auflösen würde. Sollte diese erstmal anhalten gehe ich eher von Wachstum im hohen einstelligen Bereich aus.
      Finanzierungskosten betrifft beide Unternehmen eher weniger (zumindest solange es nicht zu stark einbrechnenden Umsätzen und Liquiditätsbedarf kommt), da beide nicht substantiell mit Fremdkapital arbeiten.

      Daher habe ich beide Positionen ja bereits in der Vergangenheit etwas abgebaut, da ich hier weniger Krisenfestigkeit sehe als bei Hellofresh, Vonovia und Delivery Hero. Allerdings sind die Bewertungen mittlerweile auch extrem günstig. Sollte es also nach Überstehen der Krise wieder ein solides Wachstum (ähnlich dem vor Corona) geben, dann sehe ich bei beiden Unternehmen gute Chancen auf wieder deutlich höhere Kurse.

      VG Basti

  10. Ramasan

    Hallo Bastian,
    um ehrlich zu sein verstehe ich deine Investitions-These nicht mehr. Du schreibst mehrfach, dass die Zeiten „herausfordernd“ (auch für das WikiFolio) bleiben werden und deutest dadurch ja schon implizit an, dass Kursverluste durchaus wahrscheinlich sind. Das hattest du ja bereits auch vor ein paar Woche schon geschrieben. Trotzdem bleibst du zu nahezu 100 % voll im Markt.

    Warum?

    Es geht nicht darum, den „optimalen Zeitpunkt (für einen Einstieg) zu finden“. Ich verstehe auch gar nicht, warum das immer wieder genau mit diesem „wording“ erwähnst. Das wissen alle, dass so etwas nicht möglich ist. Aber warum gehst du z.B. bei HF nicht aus der Aktie raus und investierst wieder wenn sie zB über 40 EUR steht (und wenn wir wieder in „normalen“ Zeiten unterwegs sind)? Das Argument lautet ja immer, dass man dann den Einstieg verpasst, aber warum denn? Es ist ja nicht so, dass die Aktie von einer Minute auf die andere bei 40 EUR steht und dann 1 Minute später bei 60 EUR und der Zug abgefahren ist.
    Also: Warum jetzt nicht rausgehen und wieder reingehen, wenn sich die aktuelle Situation (ob gerechtfertigt oder nicht ist ja egal) beruhigt hat? M.E. hast du dich in HF verliebt, und schaffst es nicht dich in der Situation aktuell von den Aktien zu treffen, obwohl überhaupt kein Bedarf derzeit besteht im Markt (und vor alle nicht „all-in“) zu sein.

    PS: Ich weiß, dass ich das selbst natürlich auch machen kann (Wiki jetzt verkaufen…), aber soll ja nicht um mich gehen, sondern um das Beste für das Wiki.

    Danke.

    1. Bastian Brach

      Moin Ramasan,

      das Problem an der von dir vorgeschlagengen Theorie ist, dass man leider immer erst im Nachhinein weiß, wann der Tiefpunkt erreicht ist und sich Kurse schon lange vor dem Normalzustand wieder erholt haben. Siehe Corona: Wer da alle seine ETFs verkauft bis die Wirtschaftskrise vorbei ist (Mitte 2021), der hätte schon 50-100% Rendite verpasst. Ebenso Anfang 2021 als auf einmal alle Coronagewinner verkauft wurden, weil das Ende von Corona nahte. Hätte ich da verkauft und erst wieder gekauft, wenn Corona tatsächlich sogut wie vorbei war (Mitte/Ende 2021), dann wäre man viel höher wieder eingestiegen.

      Im Nachhinein fragt man sich natürlich, wieso man nicht Ende 2021 alle Aktien verkauft hatte, Gründe gab es ja genug. Aber Gründe gibt es eben immer genug, um nicht investiert zu sein. In dem Artikel habe ich ja gerade versucht darzulegen, dass oftmals dann der Tiefpunkt erreicht ist, wenn die Stimmung auf dem Tiefpunkt ist. Und selbst wenn ich beispielsweise Hellofresh zwischendurch verkauft hätte würde der Markt ja nicht auf einmal sagen, dass man jetzt wieder einsteigen kann und es ab da nur noch aufwärts geht. Allein seit Anfang des Jahres gab es bei HF zwölf 10%-Anstiege, davon einer sogar über +30% und einer über +40%. Bei welchem hätte man wieder einsteigen sollen? Und wenn man dann bei einem +10%-Anstieg wieder eingestiegen ist und die Aktie am nächsten Tag -10% verliert, geht man dann wieder raus?

      Ich glaub du weißt worauf ich hinaus will. Markttiming funktioniert nicht. Deswegen beschäftigen sich auch nahezu alle erfolgreichen Investoren nicht damit, sondern mit der Unternehmensbewertung (hier hab ich sicher auch nicht alles richtig gemacht (bsp. Home24 / Westwing)).

      Du kannst in den nächsten Wochen ja mal selber drauf achten und versuchen den Markt zu timen, das heißt kurzfristig vorauszuahnen in welche Richtung sich Aktien entwickeln werden. Das ist unmöglich. Und wenn man von einem Unternehmen überzeugt ist und die Zahlen das auch bestätigen, wieso sollte man dann jetzt bei 33€ verkaufen um mit Glück bei 28€ wieder einzusteigen (wenn dieser Kurs erreicht werden sollte) und mit Pech muss man zusehen wie die Aktie auf 40€ geht. Soll man dann wieder einsteigen, um den Anstieg nicht zu verpassen oder soll man nochmal abwarten ob die Aktie wieder zurückkommt?

      Wie gesagt, im Nachhinein alles sehr einfach und wir wären alle Millionäre wenn wir in die Zukunft schauen könnten. Solange das nicht möglich ist beschränke ich mich auf die Unternehmensbewertung und wer das sinnvoll findet, der kann hier investieren.

      VG Basti

  11. Toni

    alles in allem wieder einmal ein sehr guter thread.
    Danke Basti

Schreibe einen Kommentar