Hellofresh: Q4-Zahlen

Hellofresh hat gestern seine Jahreszahlen vorgelegt und dabei die Märkte enttäuscht. Während das abgelaufene 4. Quartal insgesamt positiv aufgenommen wurde und über den Erwartungen lag, ist der Ausblick auf das laufende Jahr eher verhalten und hat zum deutlichen Rückgang der Aktie geführt.

Solides 4. Quartal

Allein betrachtet war Q4 relativ stark, gerade vor dem Hintergrund der schwachen Makro- und Verbraucherdaten in den letzten 4 Quartalen. Der Umsatz wuchs weiterhin zweistellig mit 18,6% im Vergleich zum Vorjahr (11% in konstanter Währung), die operative Marge hat sich im Vergleich zum Vorjahr sogar verbessert und in absoluten Zahlen konnte der operative Gewinn um 22% gesteigert werden auf 160 Mio. € (8,5% AEBITDA-Marge). Das hat man trotz hoher Investitionen in neue Produktionsstätten und die Expansion nach Japan, Italien, Ireland und Spanien geschafft und sollte somit Zuversicht geben, dass die Marge nach Abschluss dieser Investitionen noch deutlich höher sein wird. Negativ war jedoch der Rückgang der Kunden auf 7,1 Mio. Dies sollte sich ab H2 2023 wieder umkehren und Hellofresh zu positivem Kundenwachstum YOY zurückkehren. Zur Einschätzung der Q4-Zahlen bietet sich auch ein Vergleich mit anderen Unternehmen der Branche an: E-Commerce-Gigant Amazon hat im Handelsgeschäft im 4. Quartal ein Umsatzwachstum von 7% bei einer operativen Marge von -2% erreicht (Anmerkung: die operativen Margen von Hellofresh und Amazon sind nicht eins zu eins vergleichbar, vergleichbarer mit den -2% von Amazon wäre die EBIT-Marge Hellofreshs in Höhe von 4,6%).

Schwacher Ausblick

Doch die guten Q4-Zahlen konnten nicht den Ausblick wettmachen, welcher nur verhalten ausfiel. Mit einem Umsatzwachstum zwischen 2% – 10% und einem operativen Gewinn, der nach 477 Mio. € in 2022 bei rund 500 Mio. € (±40 Mio. €) in 2023 liegen dürfte. Dabei wird die erste Jahreshälfte (sowohl vom Wachstum als auch von der Margenentwicklung) schwacher sein als die zweite Jahreshälfte und entspricht damit meinen Erwartungen, die von eher schwachen 2-3 Quartalen zum Jahresauftakt ausgingen. Ab der 2. Jahreshälfte sollte Hellofresh dann jedoch wieder zweistellig wachsen und auch seine Margen deutlich steigern können, die dann bis 2025 rund 10% auf Jahressicht erreichen sollen. Dies halte ich angesichts der weiterhin hohen Investitionen, die in 2 Jahren dann nicht mehr belasten auch für möglich, gerade wenn die Makro-Situation bis dahin wieder etwas positiver aussieht.

Bewertung

Hinsichtlich der Einschätzung der Zukunftsaussichten ist aktuell auch die größte Lücke zwischen meinen Erwartungen und den Markterwartungen. Während ich für 2024 weiterhin zweistellige Wachstumsraten und eine positive Entwicklung der Marge erwarte, rechnet der Markt auch noch in 2024 mit einstelligen Wachstumsraten und einer Stagnation der Marge. Dies würde darauf hinauslaufen, dass Hellofresh seinen Free Cashflow wohl nur auf rund 150 Mio. € in 2025 steigern kann, was einem cashbereinigten KCF von rund 20 bedeuten würde und bei nur geringem Wachstum auch gerechtfertigt wäre.

Aufgrund der deutlich zurückgehenden Investitionen (siehe Folgebild), die sich nicht nur auf die Kapitalausgaben positiv auswirken, sondern auch den operativen Gewinn steigern sollten sowie einem mittelfristigen Rückgang der Marketingausgaben gehe ich von steigenden Margen bis 2025 aus. Zudem muss man sich vergewissern, dass die Konsumentenlaune in den vergangenen Monaten auf dem tiefsten Niveau seit dem 2. Weltkrieg gesunken sind. Der Drang neue Dinge auszuprobieren und zu konsumieren ist demnach extrem niedrig. Eine Normalisierung sollte auch bei Hellofresh zu mehr Neukunden und geringeren Marketingausgaben führen. Selbst wenn ich konservativ mit 9% AEBITDA-Marge und nur leicht zweistelligem Wachstum ab 2024 rechne, sollte Hellofresh in 2025 ein AEBITDA von 900 Mio. € sowie ein Free Cashflow von 600 Mio. € erreichen können. Dies würde einem cashbereinigtem KCF von nur 5 entsprechen und wäre gerade bei einem zweistelligen Wachstum und weiterem Margenpotential deutlich zu niedrig.

Das der Weg dahin nicht unmöglich ist zeigen auch die Daten von Wettbewerbern. Marley Spoon, die sich seit 2 Jahren bei Investitionen deutlich zurückhalten, wollen dieses Jahr über 30% Deckungsbeitragsmarge erreichen – bei deutlich geringeren Skaleneffekten. Allein der Sprung von 25,5% in 2022 auf 30% in drei Jahren würde bedeuten, dass Hellofresh zweistellige operative Margen erreicht. Ebenso will der nordische Wettbewerber LMK Group mit Umsätzen unter 100 Mio. € bald wieder Deckungsbeitragsmargen von über 30% erreichen. Das Hellofresh dies nach der Expansion trotz deutlich besserer Skalierung und 30-100x höheren Umsätzen nicht erreichen sollte, halte ich für wenig wahrscheinlich.

Fazit

Hellofresh befindet sich nach wie vor in einer Transformation. Nach den hohen Investitionen in den letzten 18 Monaten ist man aktuell vorsichtiger (was auch der Rückzug aus Japan zeigt) und plant mit einem deutlichen Rückgang der Investitionen und Anlaufkosten in den nächsten 3 Jahren. Während die nächsten 2 Quartale weiterhin schwach sein werden, wird es darauf ankommen dann wieder zu wachsen, wenn sich die Konsumlaune wieder halbwegs normalisiert. Dies wird sich zuerst an den Kundenzahlen (diese sollten ab Q3 nicht mehr im Jahresvergleich schrumpfen und danach wieder zulegen) und an zweistellig steigenden Umsätzen zeigen, später dann in einer ansteigenden operativen Marge, welche ich auf 8,5% in 2024 und 10% in 2025 schätze.

Negativ wäre eine Stagnation des Umsatzes sowie keine sichtbare Verbesserung der Marge ab H2 2023 bei gleichzeitiger Normalisierung des Konsumverhaltens. Beim Kapitalmarkttag am 23.03.2023 werden Anleger wohl mehr erfahren und zusätzliche Einblicke bekommen.

Ich freue mich über jede Bewertung, Anmerkung und Kritik:
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Dieser Beitrag hat 9 Kommentare

  1. Shree

    Hi Basti, what do you think is the worst case for Hello fresh looking forward 1 year from today ? What would be the share price in this worst case ?

  2. Christian

    Moin Basti,
    vielen Dank für deinen ausführlichen Bericht zu den Quartalszahlen. Wie hoch schätzt du momentan die Chance ein, dass HF Ziel einer Übernahme ist? Wie du o.a. hast sieht es aufgrund der makroökonomischen Lage kurzfristig zwar schlecht aus, aber grade der Gewinn wird in den kommenden Jahren stark nach oben korrigieren. Mit den langfristig doch positiven Aussichten erscheint mir ein KGV von aktuell knapp 7, recht wenig. Falls ja, wen könntest du dir als potentiellen Käufer vorstellen?

    LG Christian

    1. Bastian Brach

      Moin Christian,

      die Wahrscheinlichkeiten für Übernahmen einzuschätzen ist generell schwierig. Aktuell ist das Umfeld aufgrund der hohen Kapitalkosten nicht gerade das beste um Übernahmen zu rechtfertigen, allerdings spricht für eine Übernahme der Preis.

      Als potentieller Käufe kommen Unternehmen in Frage, die ihren Fokus mehr auf Lebensmittellieferungen legen wollen oder bereits einen Bereich haben und diese ausbauen wollen; Online-Supermärkte, E-Commerce-Unternehmen mit Lebensmittelsortiment etc. Generell unterscheidet sich Hellofresh von der Produktion dennoch deutlich von anderen Online-Supermärkten.

      VG Basti

  3. Toni

    Spontane Antwort: Danke erstmal wieder für deine Arbeit und Analyse und Teilen hier. Nach wie vor für mich sehr interessant. Hier meine Frage, ich zitiere dich „Zudem muss man sich vergewissern, dass die Konsumentenlaune in den vergangenen Monaten auf dem tiefsten Niveau seit dem 2. Weltkrieg gesunken sind. Der Drang neue Dinge auszuprobieren und zu konsumieren ist demnach extrem niedrig. Eine Normalisierung sollte auch bei Hellofresh zu mehr Neukunden und geringeren Marketingausgaben führen.“
    Die zentrale volkswirtschaftliche Frage ist doch, woher soll diese Normalisierung kommen? Warum ist die Konsumentenlaune gesunken und was wird sie wieder antreiben?
    Aus reiner BWL-Sicht volle Zustimmung deiner Analyse, aber wo liegt dein Szenario VWL-technisch? Hoffnung/Wissen/Thesen? Makro-ökonomische Zusammenhänge, die mich interessieren würden. Ein bisschen zuviel vielleicht für diesen thread, aber spannend allemal (wohlwissend, dass überwiegend die kaufkräftigere Gesellschaft durch HF angesprochen wird, aber eben auch diese hat „aus welchen Gründen konkret nochmal?“ ebenso die gesunkene Konsumentenlaune mitgetragen bzw. am Ende nicht aufhalten können). Was sind deine Gedanken dazu?
    VG Toni

    1. Bastian Brach

      Moin Toni,

      die Makroökonomie vorherzusagen ist natürlich immer mit vielen Unsicherheiten behaftet und wie wir zuletzt gesehen haben schafften es selbst die Zentralbanken nicht die Inflation richtig vorherzusagen.

      Dennoch kann man analysieren, was zu der schwachen Konsumentenstimmung geführt hat. Dies waren zum einen die ansteigende Inflation, zum zweiten der Ukrainekrieg (gerade für Europa). Die Inflation kommt langsam zurück und wird wohl ab März (nachdem sich der Kriegsausbruch und die damit verbundenen Folgen gejährt haben) noch einmal verstärkt zurückgehen. Ob diese sich dann bei 3% oder höher einpendelt ist mehr als schwierig zu sagen, aber immerhin eine Verbesserung zu den knapp 10% zwischendurch. Zudem sollten die Zinsanhebungen mittelfristig zu einer schwächeren Inflation führen.
      Das Thema Krieg scheint sich zwar nicht so schnell in Luft aufzulösen, allerdings tritt er gerade in Mitteleuropa in der Wahrnehmung zurück und auch die direkten Folgen (explodierende Gas- und Ölpreise) scheinen langsam abzuebben.

      Auch in der Vergangenheit hat sich nach Krisen früher oder später eine Normalisierung des Verbrauchervertrauens eingestellt, sei es nach Corona, nach der Wirtschaftskrise 2008 oder nach der hohen Inflation in den 70ern. Dass dies überhaupt nicht mehr geschiet halte ich für recht unwahrscheinlich, die Frage ist vor allem wann. Hier würde natürlich eine sich weiter abschwächende Inflation deutlich helfen.

      VG Basti

  4. Jens

    Hallo Bastian,
    es wirkt bei Dir mittlerweile so als ob Du ein wenig den Überblick verlierst und selbst ratlos bist aufgrund gewisser Kurskapriolen. Ich habe leider zu hoch gekauft bei deinem wikifolio und sehe mittlerweile das mein Einstiegskurs in ganz weite Ferne gerückt ist. Machst Du so weiter mit dem „Aussitzen“ von Verlusten und hoffen das es irgendwann wieder stark steigt? Ich glaube kaum das eine Hellofresh nochmals ihre Höchststände erreichen kann. Du bist selbst deutlich skeptischer geworden bei Hellofresh dennoch hast Du nachgekauft warum? Man sagt doch mal solle kein gutes Geld schlechtem hinterher werfen. Ich befürchte das dein wikifolio demnächst sogar unter die 100 Euro rutschen könnte. Der Markt ist deutlich von seinen Tiefststände entfernt deine Aktien liegen aber fast alle am Boden. Rutscht der Markt geht’s mit den Werten in deinem wikifolio weiter richtig bergab denke ich. Hab ein bißchen Angst das ich mein Geld nie wieder sehen werde. Will nicht wütend werden da es meine Entscheidung war bei Dir zu investieren aber ein bisschen bin ich es leider.

    1. Bastian Brach

      Moin Jens,

      du hast recht, ich bin was die Aktienkurse vieler deutscher E-Commerce-Unternehmen angeht etwas ratlos und hätte nicht mit der aktuellen Entwicklung gerechnet. Und auch wenn es für die Unternehmen operativ schwierige Zeiten sind, sehe ich weiterhin nicht, warum der Markt viele Unternehmen aus dem WIkifolio so bewertet, als würden sie in Zukunft nicht mehr wachsen und nur stagnieren. Das sehe ich keineswegs, da die Megatrends, die bereits vor Corona bestanden und hohes Umsatzwachstum ermöglicht haben weiterhin vorhanden sind.

      Aktuell ist die Aktienperformance aber fast völlig von den langfristigen Perspektiven abgekoppelt und es werden nur noch die Risiken und der Worst-Case gesehen. Wahrscheinlich muss es erst noch einmal einen Knackpunkt geben (evtl sehen wir den gerade mit der Bankenkrise in den USA), damit zum einen die Inflation zurückgeht und daraufhin auch wieder die Zinsen sinken, bevor wir wieder ruhigere gesamtwirtschaftliche Perioden sehen vergleichbar mit den Jahren vor Corona.

      Auch deine Wut kann ich gut verstehen. Mir geht es genauso und natürlich sind wir auch an dem aktuellen Punkt, weil ich einige Fehler gemacht habe. Dennoch gehe ich nicht davon aus, dass zum einen dieses Makro-Umfeld ewig anhalten wird und zum zweiten die Unternehmen in einigen Jahren (wenn sie ihre mittelfristigen Ziele erreicht haben) so bewertet werden, wie dies aktuell der Fall ist.

      VG Basti

  5. Toni

    Hallo in die Runde!
    Danke erstmal Basti für deine Antwort auf meine Frage oben. Sie ist nachvollziehbar, aber auch in der Antwort zu Jens Frage lese ich die grundsätzliche Annahme deinerseits „damit zum einen die Inflation zurückgeht und daraufhin auch wieder die Zinsen sinken, bevor wir wieder ruhigere gesamtwirtschaftliche Perioden sehen vergleichbar mit den Jahren vor Corona.“
    Ja, das könnte passieren. Es gibt aber auch so einige VWLer, die genau das als Basis sehen, um die darauffolgende Inflationswelle auszulösen. Deren Argumentationskette ist gut nachvollziehbar. Und dann?!
    Kernfrage dieses Kommentars: Hast du so einen Art Szenario auch im Bewusstsein oder teilst du diese These nicht? Scheint zumindest so, wenn ich deine Schluss-Annahme bzgl. Makro-Umfeld lese…
    Schwierig insgesamt, wenn unklar ist, welche Prämissen hier überhaupt gelten?! Vermute, das ist auch Teil deiner/meiner/unserer „Ratlosigkeit“ bzgl. HF, denn die Kernkompetenz und Vorteile ggü klassischem Supermarkt bleiben ja bestehen?!
    Schönen Sonntag allen!

  6. Tassilo

    Viele Investoren hier scheinen immer noch nicht zu verstehen wie Value-Investing funktioniert.
    Man schaut ein Unternehmen sich genau an, dass man denkt unterbewertet ist, kauft und wartet.
    Das kann, wie bei BMW oder Ford oft 5 Jahre lang sich langsam runter bewegen.
    Das macht aber nicht gleich den Kauf falsch oder den Fondmanager ratlos. Das ist Teil des Risikos von Value-Investing, dass der Fondmanager bei seiner Strategiewahl in Kauf nahm.
    Auch die Unternehmen Hellofresh und Delivery Hero performen als Unternehmen nach Plan (oder nur knapp abweichend). Nur nicht als Aktien.

    Natürlich kann man der Meinung sein, dass Momentum Investing (ich kaufe was hoch geht, verkaufe was runter geht), besser ist. Man soll sich aber dann nicht beschweren wenn man alles verkauft hat beim Tiefpunkt und wieder nachkauft am Höchpunkt. Ähnlich wie Fundamentalanalsyse, ist Technische Analyse eine genauso schwierg zu erlernde Kunst.

    Oft lösen sich Übertreibungen sehr schnell. (Siehe Fordaktie 2021 bis 2022)

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