Hellofresh: Q3-Zahlen

Am Donnerstag hat Hellofresh die Zahlen für das dritte Quartal vorgelegt. Diese sind beim Umsatz leicht über meinen Erwartungen und den Erwartungen der Analysten ausgefallen mit 31% Umsatzwachstum bzw. 18% in konstanter Währung, vor allem durch die positive Entwicklung in den USA. Dort ist die Inflation zwar ähnlich hoch wie in Europa, jedoch ist die Konsumentenstimmung weiterhin recht hoch, während in Europa die Angst vor weiter steigenden Energiepreisen diese auf Rekordtiefs drückt.

Kostenfaktoren

Die stabile Beschaffungskostenquote deuten darauf hin, dass Hellofresh die gestiegenen Lebensmittelpreise gut an die Kunden weitergeben kann, wie auch die um 11% gestiegenen durchschnittlichen Warenkörbe zeigen. Zudem sind die Fulfillmentkosten um 2 Prozentpunkte gesunken, was an Produktivitätssteigerungen der neu gebauten Fulfillmentcenter lag. Dieser Effekt sollte sich in den nächsten 12-18 Monaten weiter positiv auswirken, da Hellofresh bald das Tempo der Kapazitätsausweitung verringern wird, nachdem dieses seit Mitte 2021 sehr hoch war.

Kundenentwicklung

Wie erwartet war die Neukundenakquisition in Q3 weiterhin schwach, was auch die Marketingquote belastete. Die Sorgen der Konsumenten machen sich hier bemerkbar, zudem ist das dritte Quartal auf Grund der Reisezeit ohnehin nicht besonders stark. Auch für Q4 soll die Kundenanzahl nur in etwa auf dem aktuellen Niveau bleiben. Wichtig wird dann das Auftaktquartal in 2023, in welchem Hellofresh traditionell die meisten Kunden gewinnt. Hier sollte die Kundenanzahl wieder stark steigen. Dennoch gehe ich davon aus, dass Hellofresh wohl bis zu einer Erholung der allgemeinen wirtschaftlichen Lage die Kundenzahl nicht so stark steigern kann wie in normalen Zeiten und wir solange eher eine Phase der Stagnation erleben.

Zukünftige Entwicklung

Während die Umsatzentwicklung durch Makro-Faktoren weiterhin gedämpft wird, sieht es auf der Kostenseite positiver aus. Bereits in Q3 hat Hellofresh die Fulfillment-Kosten erfolgreich gesenkt und dieser Trend sollte sich in den nächsten 12-18 Monaten fortsetzen, da der Kapazitätsausbau langsam abgeschlossen wird, was die Expansionskosten (v.a. Italien, Japan) überkompensieren sollte. Was mittelfristig möglich ist sieht man an Marley Spoon, die trotz deutlich geringerer Umsätze rund 30% Deckungsbeitragsmarge haben (Hellofresh 25%), weil keine Expansions- und Ausbaukosten anfallen. Meine Annahmen für die Marge und die einzelnen Kostenfaktoren habe ich im Folgenden einmal dargestellt.

eigene Darstellung

Hier sieht man klar den Einfluss der Pandemie und wie diese die Vergleichswerte verzerrt hat, Hellofresh jedoch in 2022 deutlich besser dasteht als in 2019, obwohl deutlich mehr in Expansion und Aufbau investiert wird.

Fazit

Obwohl Hellofresh auch die aktuellen wirtschaftlichen Krisen deutlich zu spüren bekommt, ist das Unternehmen sehr gut aufgestellt, um diese Krise zu meistern. Während die Konkurrenz im Meal-Kit-Sektor ums Überleben kämpft (Blue Apron, Marley Spoon, Goodfood Market) und auch der E-Commerce-Sektor insgesamt mit starken Umsatzeinbrüchen zu kämpfen hat, wächst Hellofresh weiterhin zweistellig und stellt durch Kapazitätsaufbau und Expansion die Weichen für eine positive Entwicklung nach der Krise.

Die Aktie liegt aktuell unter dem Vor-Corona-Niveau, trotz deutlich besserer Finanzzahlen (7,7 Mrd. € Umsatz vs. 1,8 Mrd. €; 6% operative Marge vs. 2,6%; 470 Mio. € operativer Gewinn vs. 46 Mio. €). Auch wenn die Zinsen in der Zwischenzeit gestiegen sind, rechtfertigt das meiner Einschätzung nicht, dass der Unternehmenswert seitdem sogar gesunken ist. Auf Basis des kommenden Jahres liegt das KGV bei 15, auf Basis eines normalisierten Gewinns (6% Nettomarge, die mittelfristig angestrebt wird) sogar nur bei 6.

Dennoch ist auch klar, dass die Aktie weiterhin stark an der Zins- und Inflationsentwicklung hängt und man daher mit weiteren Schwankungen rechnen muss, bei negativer Inflationsentwicklung auch weiteren Kursverlusten, selbst wenn diese fundamental wenig begründet sind. Hoffnung macht zumindest die Vermutung, dass in den USA die Zinserhöhungen laut FED Anfang 2023 vorbei sein dürften und auch die Inflation langsam wieder zurückkommt. Für Hellofresh wird vor allem wichtig, die Deckungsbeitragsmarge langsam wieder zu steigern und nach der Krise wieder Wachstumsraten von rund 15-20% zu erzielen.

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