Hellofresh hat heute die endgültigen Q2-Zahlen vorgelegt, die zum Teil jedoch bereits am vergangenen Donnerstag zusammen mit der Prognoseerhöhung verkündet wurden. Die Zahlen konnten in allen Belangen überzeugen:
- Anzahl der Kunden stieg um 84% YOY und 6% QoQ
- Orderanzahl und -größe blieb trotz Lockerungen konstant im Vergleich zu Q1
- Marketingkosten lagen trotz der hohen Anzahl neu akquirierter Kunden deutlich unter dem erwarteten Wert
Auf den ersten Blick mag es verwundern, dass die Fulfillment-Kosten deutlich oberhalb des langfristigen Ziels lagen. Dies lässt sich jedoch mit dem schnellen Aufbau neuer FF-Center (6 neue allein in H1 2021) und der Implementierung der eigenen Lieferflotte erklären. Durch Ineffizienzen und Training der Mitarbeiter fallen zuerst einmal Anlaufkosten an bis nach etwa 3 Quartalen die angestrebte Effizienz erreicht ist. Die verringerte Margenprognose ist demnach nicht auf Probleme, sondern auf vorgezogene Investitionen zu erklären, welche jedoch für einen deutlichen Umsatzschub bis in 2022 hinein sorgen. Ob die höheren Fulfillment-Kosten tatsächlich vollständig durch das schnellere Wachstum erklärt werden kann, wird man voraussichtlich im 2. Halbjahr 2022 sehen, wenn die Investitionen laut dem Vorstand wieder auf ein normales Level zurückkehren sollen.
Hellofresh ist zudem damit beschäftigt die verschiedenen Marken auf internationale Märkte auszurollen und neue Regionen zu bewirtschaften. Zum Ende des Jahres soll Italien als nächstes Land in Europa hinzukommen, Anfang 2022 dann mit Japan das erste asiatische Land. Sollte Japan ebenso erfolgreich werden wie die bisherigen Geschäfte in Europa, USA und Australien, dann würde sich ein erhebliches zusätzliches Potential ergeben. Nicht nur die 126 Mio. Einwohner Japans mit sehr hohem Einkommen, auch Länder wie Südkorea, Singapur und Taiwan könnten langfristig von Hellofresh mit Kochboxen beliefert werden. Dies würde den langfristig möglichen Umsatz auf einen Schlag um ca. 30% erhöhen. Doch auch die weiteren Segmente stehen gerade erst am Anfang: Durch die Kochboxen hat man einen sehr guten Zugang zu den Kunden, um in Zukunft auch mit gesunden Fertiggerichten (wie Factor und Youfoodz) und klassischen Supermarktartikeln (Hellofresh Market; gerade in den USA gestartet) Geld zu verdienen.

Die Bewertung ist mit dem zweifachen Umsatz bei dem Wachstum und zweistelligen Margen weiterhin sehr niedrig. Ich erwarte bereits in 2021 einen Umsatz von ca. 6 Mrd. €, der damit leicht über dem oberen Ende der aktuellen Prognosespanne liegt. Bereits im kommenden Jahr könnte man dann sogar Umsätze von knapp 8 Mrd. € generieren. Zudem gewinnt man weiter Marktanteile von der Konkurrenz und verfestigt somit seine Position. In der nachfolgenden Tabelle sind einmal die Umsatzwachstumsraten seit Q2 2020, Q1 2021 und die Marketingkosten in diesem Quartal dargestellt. Hier sieht man, wie Hellofresh die Konkurrenz hinter sich lässt und einzig bei der Marketingkostenquote etwas hinter Blue Apron liegt, die dafür aber auch ein um 65 Prozentpunkte geringeres Wachstum aufweisen.
Hellofresh | Marley Spoon | Blue Apron | |
YoY Umsatzwachstum | +60% | +10% | -5% |
QoQ Umsatzwachstum | +8% | +4% | -6% |
Marketingkostenquote | 14% | 21% | 13% |
operative Marge | 10% | -11% | -5% |
Die geringere Marge in 2021 und wohl auch im 1. Halbjahr 2022 nehme ich dafür gerne in Kauf. Die Investitionen machen aus meiner Sicht alle Sinn und ich habe bereits zuletzt erklärt, wieso ich diese Strategie bei meinen Unternehmen bevorzuge. Dennoch muss man im Auge haben, wie sich die langfristige Zielmarge entwickelt. Das bedeutet beispielsweise, dass man in Phasen geringerer Investition auch wieder geringere Fulfillment-Kosten erreichen sollte. Ende des Jahres wird es wohl wieder einen Capital Markets Day mit vielen Insights geben. Dort darf man vor allem auf die Entwicklung von Hellofresh Market gespannt sein. Zudem wartet nächsten Monat die Aufnahme in den DAX. Langfristig halte ich Hellofresh weiterhin für eine Top-Aktie, die nicht nur regelmäßig die Prognosen (sowohl eigene als auch die der Analysten) übertrifft, sondern auch ein außergewöhnlich gutes Verhältnis von Wachstum, Marge und niedriger Bewertung bietet. Solange dies weiter stimmt bleibt die Aktie weiterhin hoch gewichtet im Wikifolio.
Hi Basti,
danke für die Top Berichte! Ich wollte mal fragen, ob du mir einen Tipp geben kannst, wie man Aktien am bewesten bewerten kann, die noch nicht profitabel sind? Schaust du hauptsächlich auf das KUV oder gibt es da andere wichtige Kennzahlen für dich?
Danke und weiter so viel Erfolg!
Beste Grüße
Philip
Moin Philip,
ich schau vor allem auf die langfristig mögliche operative Marge (AEBITDA bei vielen E-Comm-Unternehmen) und das langfristige Wachstum. Daraus leite ich ein faires KUV ab. Daneben gibt es noch weitere Faktoren wie Sektor, Cashbedarf etc. Mein genaues Vorgehen wäre aber zu ausführlich hier darzustellen.
VG Basti
… super, vielen Dank! Bietest du evtl. Kurse/Onlinekurse dazu an? Gerne kostenpflichtig natürlich, weil im Internet, Bücher etc. kann ich einfach nichts finden, sondern nur bei Unternehmen, die bereits Gewinne machen, KGV, EV/EBIT usw.
Für den Anfang reicht es meistens sich regelmäßig die Quartalspräsentationen der Unternehmen anzuschauen und daraus seine eigenen Schlüsse zu ziehen. Zudem Branchenstudien (also wie stark wächst der Markt) und Berichte der Konkurrenz.
Ich hab selber bisher auch noch kein wirklich gutes Buch dazu gefunden.
VG Basti
Danke Basti! Falls du in Zukunft mal Kurse anbieten solltest, bin ich sofort dabei und mit Sicherheit nicht allein. Deine Performance besteht ja definitiv nicht nur aus Glück. Aber das ist ein guter Tipp, ich mach auch gerade einen Kurs, wie man Bilanz/GUV/Kapitalflussrechnung richtig liest. Aber da ich gerne von den Praktikern lerne, frage vielleicht in ein paar Monaten wieder an. Bis dahin weiterhin viel Erfolg!
Beste Grüße
Philip
Schön geschrieben und informativ! Danke für das interessante Update. Ich habe nur die Marge bei dir in den Aufzählungen vermisst. Da ich in deinem wikifolio investiert bin wünsche ich uns beiden weiter steigende Kurse 🙂
Bleibt h24 nun im sdax?
Solange der Kurs sich über 17€ hält sollte das sehr wahrscheinlich sein.
Hi Basti,
hast du neue Infos zu BlueApron? Rechnest du weiterhin mit einer Pleite? Könnte HF die Wechsel-Kunden alle „aufnehmen“ oder würden Sie in den USA kurzfristig wieder an Kapa-Engpässe gelangen? Danke dir.
Moin Julian,
aktuell sieht es wohl so aus, als ob sich Blue Apron über Wasser halten könnte und die nächsten Jahre im niedrigen einstelligen Bereich bei operativem Breakeven arbeitet.
VG Basti
Moin Basti,
erstmal danke für die Analyse für die Q2-Zahlen von HF. hast du eine solche auch für die Q2-Zahlen für Home24 geplant?
LG Chris
Moin Chris,
die kommen auch. Home24 evtl morgen, Delivery Hero dann etwas später.
VG Basti
Moin Bastian,
hast du dir mal das Unternehmen Tattooed Chef angeschaut, die (noch) in der USA fertige, tiefgefrorene, vegane und vegetarische Essen anbieten und liefern. Würdest du so etwas auch als Konkurrenz ansehen?
Moin Jan,
das Unternehmen ist in einem ähnlichen Segment wie Factor75 unterwegs, allerdings als On-Demand- statt Abo-Modell und eher in Zusammenarbeit mit lokalen Geschäften statt über das Internet. Also könnte man im weitesten Sinne als Konkurrenz ansehen, aber der Online-Food-Markt wächst so stark, dass da für eine ganze Reihe von Anbietern (erst recht mit verschiedenen Modellen) Platz zum Wachsen ist.
VG Basti