Das in dieser Woche erzielte Allzeithoch von Hellofresh habe ich genutzt, um mich noch einmal intensiv mit den Unit Economics und der Marketingstrategie zu beschäftigen. Anfang Dezember präsentierte der Vorstand beim Kapitalmarkttag sehr interessante und vor allem neue Kohorten-Analysen, die bei der Analyse helfen. Dabei versuche ich die Erkenntnisse möglichst einfach und verständlich, aber natürlich sachrichtig darzustellen.

Die Unit Ecnonomics bilden im Gegensatz zu den aggregierten Zahlen, die man in den Quartalsberichten findet, ein Maß für die Profitabilität eines Kunden bzw. einer Kundengruppe (auch Kohorte genannt). Die gesamten Zahlen verfälschen die Einschätzung insofern, als dass hierbei sowohl neue als auch langjährige Kunden vermischt werden, die sich deutlich in der Profitabilität und den Marketingkosten unterscheiden.
Zuerst einmal sollte man die verschiedenen Kostenfaktoren von Hellofresh verstehen. Diese setzen sich aus den direkten, produktbezogenen Kosten (Lebensmittel, Verpackung, Produktionsmitarbeiter, etc.), den Marketingkosten (TV-Werbung, Gutscheine, Rabatte, etc.) und den Verwaltungskosten (Buchhaltung, Rechtsabteilung, Vorstandsgehälter, etc.) zusammen.
Als Beispiel betrachten wir im Folgenden eine Kohorte von 5 Kunden. Um diese zu gewinnen schaltet Hellofresh Werbung und gibt Gutscheine aus, insgesamt für 60€-70€ pro Kunde. Die Tendenz der letzten Jahre ist dabei sinkend, da Hellofresh immer bekannter wird und auch die eigenen Marketingkanäle weiter optimiert. Um unsere beispielhafte Kundengruppe zu akquirieren muss demnach 350€ investiert werden.

Neben den Customer Acquisition Costs (CAC) ist vor allem die Kundenbindung (Customer Retention) für den langfristigen Kundenwert entscheidend. Die von Hellofresh veröffentlichten Daten zeigen, dass man in den ersten 2-3 Jahren Kunden ca. 80% der anfangs akquirierten Kunden verliert, 20% jedoch dauerhaft bleiben und den Service nicht mehr kündigen. Dabei erzielen jüngere Kohorten bessere Ergebnisse, da man in den letzten Jahren in die Produktqualität (Auswahl, Preis, Lebensmittel-Qualität) investiert hat, sodass die 20% mittelfristig gesehen eher zu niedrig angesetzt erscheinen. Doch um einfach und konservativ zu schätzen, nehmen wir in der Folge an, dass von unserer 5er Kundenkohorte 4 Kunden direkt zu Beginn wieder kündigen und nur ein Kunde dauerhaft jede 2. Woche bestellt.

Nachdem wir die Kosten für die Akquisition, die Kundenbindung und die Bestellraten definiert haben benötigen wir zuletzt noch den Gewinn pro verkaufter Box. Dieser Deckungsbeitrag liegt bei Kunden, die bereits einige Boxen bestellt haben (so wie unser verbliebener Kunde), bei über 40%. Abzüglich der Verwaltungskosten im niedrigen einstelligen Bereich wird man bei ca. 40% liegen. Für eine durchschnittliche Box im Wert von 50€ verbleibt somit ein Ertrag von 20€. Bei einer zweiwöchentlichen Bestellrate ergibt sich damit ein jährlicher Ertrag von 520€ pro Kunde. Den Ertrag der weiteren 4 Kunden, die sich direkt zu Beginn verabschieden, setzen wir auf 0€.

Hellofresh schafft es demnach (in diesem vereinfachten Fall) bei einem einmaligen Investment von 350€ für die Kundenakquisition einen jährlichen Ertrag von 520€ zu erwirtschaften – eine Rendite von 149% pro Jahr. Nur mit sehr wenigen Geschäftsmodellen erwirtschaftet man solche Renditen. Wenn man das Geld auf die Bank einzahlen würde, dann würde der jährliche Ertrag sich im besten Fall auf 0,35€ belaufen. Die genannten Zahlen werden auch von Hellofresh so bestätigt, da man schon vor Corona im Schnitt nach nicht einmal 6 Monaten die Kosten für die Akquisition wieder als Deckungsbeitrag erwirtschaftet hat.

Sollten diese Metriken (Akquisitionskosten, Kundenbindung, Deckungsbeitragsmarge) auch in den kommenden Jahren gehalten oder wie in der Vergangenheit sogar verbessert werden können, dann wird Hellofresh mit wachsendem Anteil der passionierten Kunden immer profitabler werden. Selbst mit der vergleichsweise geringen Kundenbindung schafft das Unternehmen es hochprofitabel zu sein und sollte sich gerade angesichts der weiterhin moderaten Bewertung gut entwickeln können.
Danke Basti für die Analyse.
Aber du nimmst an, dass der eine Kunde 12 Monate Kunde bleibt. Ggf. Beendet er aber nach 7 Monaten das Abo, weil zB die Qualität nicht (mehr) in Ordnung ist. Wie siehst du das?
Moin Hans,
der eine Kunde der 5er Gruppe bleibt dauerhaft Kunde (entspricht den 20% in Abb. 3). Die anderen 4 Kunden kündigen innerhalb der ersten 3 Jahre wieder. Dies entspricht den tatsächlich gemessenen Daten.
VG Basti
Danke! Aber das sind Annahmen vom CMD oder? Meine Vermutung ist ja, dass aufgrund der derzeit fallenden Kundenzufriedenheit (falsche Zutaten, die Samstags-Zustellung wird mal spontan auf Mittwoch verschoben, qualitativ minderwertige Zutaten etc.) es eben nicht bei den 20 % bleibt, sondern der Wert leider niedriger wird. Siehst du darin kein Problem? Klar ist es nur ein Problem in der aktuellen Zeit, aber den einen Kunden (von den 5), der eigentlich 12 Monate Kunde geblieben wäre, springt halt evtl. nun doch nach 3 Monaten wieder ab.
Ne, das sind die tatsächlichen Daten der letzten Jahre.
Aktuell gibt es bei vereinzelten Kunden Probleme (ca. 8% gaben dies in einer Umfrage an), die durch Ernteausfällen in Spanien entstanden sind. Allerdings wird Hellofresh auch dieses Problem lösen, wie bereits in vergangenen Problemzeiten auch schon. Zudem muss man bedenken, dass der deutsche Markt nur einen kleinen Einfluss auf Hellofresh hat, der amerikanische, kanadische und australische Markt haben hier größere Einflüsse.
VG Basti
Hey Basti,
Woher beziehst du eigentlich aktuelle Nachrichten, wie erhöhte Kosten von Asienverschiffungen oder Ernteausfälle in Spanien? Findest du diese Informationen in den IR oder benutzt du einen Nachrichtendienst?
Danke für deine tollen Analysen!
VG Peter
btw. Die Verschiffungskosten beziehen sich auf den Mobly IPO Artikel (-;
Moin Peter,
meine täglichen Nachrichtenquellen sind news.guidants.com und finanznachrichten.de, ansonsten Recherche auf verschiedenen Portalen. Das mit Hellofresh habe ich dadurch mitbekommen, dass ich selber Kunde bin und man dort immer sehr transparent informiert wird.
VG Basti
Hi Basti, wenn ich mir die Kommentare in Facebook anschaue zum letzten Post von HF, dann schreiben 99% dass die Box nicht mehr ankommt. Wir reden nicht mal mehr von Qualitätsproblemen sondern von nicht mehr gelieferten Boxen. Ich befürchte einfach, dass unfassbar viele Kunden jetzt verloren gehen… klar ist DE nicht alles entscheidend aber trotzdem mache ich mir ein bisschen Sorgen
Moin Hubert,
die Kommentare bei Facebook bieten meist kein ganzheitliches Bild ab. Es wird natürlich eher negative Kritik geben als dass Kunden dort kommentieren, dass alles super lief. Ich habe vor 2 Wochen in der deutschen Facebook-Gruppe eine Umfrage gemacht und ca. 10% haben von starken Problemen berichtet. Natürlich ist 10% deutlich zu viel, aber ich vertraue da Hellofresh, dass sie – wie bereits in der Vergangenheit – die Probleme bei den Produzenten und Auslieferungsunternehmen mit angemessenen Maßnahmen wieder in den Griff bekommen.
Zudem ist der Kundenansturm weiterhin stark, sodass stetig neue Kunden hinzukommen, die mögliche Abwanderungen ausgleichen. Trotzdem ist es wichtig die Probleme in den Griff zu bekommen. Die langfristige Investmentthese zu überdenken aufgrund von kurzfristiger Schwierigkeiten (spätestens im Frühling sollten die Probleme gelöst worden sein) ist jedoch mMn nicht sinnvoll.
VG Basti