Nachdem ich bereits am Donnerstag meine Einschätzung zu den Q2-Zahlen der Global Fashion Group abgegeben habe, möchte ich in diesem Beitrag noch einmal einige wichtige Punkte ansprechen, da es verständlicherweise auch einige Rückfragen gab, die ich natürlich in diesem Artikel beantworte.
Selbstreflektion
Nachdem die vorläufigen Zahlen bereits vor einigen Wochen veröffentlicht wurden und sehr positiv aufgenommen wurden (die Global Fashion Group Aktie stieg von 2,70€ am 09.07. auf bis zu 6,20€), habe ich damit gerechnet, dass die endgültigen Zahlen für wenig Bewegung sorgen werden, da die Anleger diese ja bereits kennen. Allerdings hatte ich die Bedeutung des Euro-Umsatzes für viele Privatanleger unterschätzt, die aufgrund des nominalen Umsatzrückgangs reihenweise verkauft haben.
Das ich dieses Szenario nicht im Voraus durchdacht habe war ein Fehler, auch wenn dies im Nachhinein natürlich einfacher zu sagen ist als vorher. Trotzdem werde ich in Zukunft noch stärker darauf achten, wie die Anleger (bei kleineren Werten wie GFG, Home24, Westwing vor allem Privatanleger) auf einzelne Zahlen reagieren könnten und vor allem auch Währungsdifferenzen stärker berücksichtigen.
Global Fashion Group vs. MercadoLibre
Wie unterschiedlich private und institutionelle Anleger auf Währungsabwertungen und dementsprechend geringere ausgewiesene Umsätze reagieren zeigt auch der Vergleich mit dem in Lateinamerika tätigen US-Unternehmen MercadoLibre. Der Payment- und E-Commerce-Anbieter ist aufgrund der Marktkapitalisierung von 60 Mrd. $ deutlich interessanter für institutionelle Anbieter, während GFG für diese oftmals noch zu klein ist und daher eher von Privatanlegern gehandelt wird.
Der Kursverlauf nach Corona verlief bei beiden Aktien ähnlich, nämlich steil nach oben, aufgrund der zukünftigen Chancen für E-Commerce-Unternehmen. Und auch bei MercadoLibre war das Wachstum auf $-Basis mit 61% deutlich geringer als das währungsbereinigte Wachstum von 123%. Hier blieb allerdings der Kursrutsch aus, die Aktie ist seit der Veröffentlichung der Zahlen in etwa auf demselben Niveau geblieben.
Diese Unterschiede könnten sich dann verringern, wenn GFG in den SDAX aufsteigt (wahrscheinlich im März 2021) und dann auch mehr in den Fokus von Aktienfonds rücken.
Bewertung der Global Fashion Group Aktie
Doch wie sieht es jetzt nun mit der Bewertung des Unternehmens aus? Die Währungsabwertung betrifft vor allem den Umsatz, die Gewinnmarge bleibt davon nahezu unberührt, da auch Kosten in lokaler Währung anfallen. Das sieht man auch daran, dass GFG trotz des Umsatzrückgangs auf Euro-Basis die Bruttomarge um 2,1%-Punkte und die operative Gewinnmarge um 2,6%-Punkte erhöhen konnte. Dennoch hat die Währung einen erheblichen Einfluss auf die Bewertung.
Denn für Anleger aus dem Euroraum ist letztlich auch der Gewinn auf Euro-Basis entscheidend. Wenn jetzt Umsätze von 10 Mrd. in lokaler Währung nicht mehr 1,5 Mrd. €, sondern 1,3 Mrd. € entsprechen, dann sinkt auch bei gleicher Gewinnmarge der Gewinn. Bei 10% Gewinnmarge würde das Unternehmen nicht mehr 150 Mio. €, sondern 130 Mio. € verdienen. Somit sinkt auch der faire Wert um ca. 13%.
Für Global Fashion Group bedeutet dies, dass der faire Wert jetzt geringer ist als noch im Juni, als ich bei damals noch deutlich besseren Wechselkursen einen Umsatz von 1,5 Mrd. € prognostiziert habe. Wenn man ein cash-bereinigtes KUV von 1,5 annimmt (Zalando wird hier mit einem KUV von 2,3 bewertet), dann kommt man bei einem Umsatz von 1,3 Mrd. € auf ein mittelfristiges Kursziel von 9 €.
Das ein solches Multiple auch nicht unrealistisch ist zeigt der Verkauf von Namshi. Namshi gehörte bis 2017 ebenfalls zur Global Fashion Group und war im Nahen Osten tätig. Zum Zeitpunkt des Verkaufs von 51% der Anteile (2017 an einen Einzelhändler in Dubai) wuchs Namshi um ca. 20% p.a. und war auf operativer Ebene gerade profitabel geworden, was den Zahlen von GFG sehr ähnlich ist. Die Bewertung lag damals bei 260 Mio. €, was einem KUV von 1,7 entsprach.
Zukunft der Global Fashion Group
Die kurzfristige Entwicklung der Global Fashion Group Aktie ist aktuell sicherlich eng mit der weiteren Entwicklung der brasilianischen und russischen Währung verknüpft. Diese Länder litten besonders unter der Corona-Krise und den sich eintrübenden Wirtschaftsaussichten. Dennoch scheint auch hier der Höhepunkt der Fallzahlen bereits erreicht zu sein und auch die BIP-Wachstumsraten in beiden Ländern werden 2021 wieder positiv sein.

Sollte im Jahr 2021 wieder Normalität einkehren und das Vertrauen in Schwellenländer zurückkommen, dann könnte sich die Währungsabwertung auch wieder umkehren, sodass man nächstes Jahr dann 20% Wachstum auf währungsbereinigter Basis erreicht, in Euro-Basis aber um 40% wächst. Dies ist jedoch keine Prognose, sondern nur ein mögliches Szenario. Wenn die Währungen auf dem aktuellen Wechselkurs verbleiben, dann wird das Euro-Wachstum bis in Q1 2021 deutlich geringer sein als das währungsbereinigte Wachstum.
Langfristig ist die Global Fashion Group jedoch weiterhin auf einem guten Weg. Das hochprofitable Marktplatz-Geschäft wurde stark ausgebaut, immer mehr bekannte Marken kommen auf die Plattform und ziehen dadurch weitere Kunden an; operativ läuft es also.

Größtes Risiko ist jedoch weiterhin die Wechselkursentwicklung, auf die ich zukünftig besonders achten und dementsprechend auch meine Positionsgröße anpassen werde. Mit einer Gewichtung von aktuell 12% im Wikifolio bin ich aktuell jedoch zufrieden, auch vor dem Hintergrund, dass die Aktie trotz des Kursrückgangs weiterhin 93% seit der Aufnahme im Juni im Plus liegt.
Nachfolgend auch nochmal ein CNBC-Video der CEOs vom 20.08.2020, in dem die Strategie und die Zahlen erläutert werden:
Co-CEOs von „Global Fashion Group“ Christoph Barchewitz und Patrick Schmidt im Interview vom 20. August 2020
https://aktien-boersen.blogspot.com/2020/08/co-ceo-von-global-fashion-group.html
Dank dir Petra,
ich hab das Video in den Artikel eingefügt, da es wirklich sehr gut nochmal auf die Ambitionen eingeht.
VG Basti