Am selben Tag wie Hellofresh hat auch Delivery Hero seine Zahlen veröffentlicht. In der Vorschau auf diese habe ich vor allem zwei wichtige Punkte genannt, die aus den Zahlen hervorgehen müssen. Zum einen sollte das Q1 aufgrund der Omnicron-Effekte den Tiefpunkt beim Wachstum darstellen, ab dem die Wachstumsrate wieder anzieht, zum anderen sollte das Wachstum im Gesamtjahr über dem der europäischen Konkurrenz liegen. Beide Punkte hat Delivery Hero erfüllt und auch sonst ein solides Zahlenwerk in schwierigen Zeiten vorgelegt. Bereits im aktuellen Quartal sollte das Unternehmen den Break-Even beim AEBITDA erreichen und im Laufe des Jahres dann bereits den Break-Even beim Free Cashflow. Doch schauen wir uns die Zahlen erst einmal an.
Wachstum
Die Vorzeichen ähneln sich bei den meisten E-Commerce-Unternehmen aktuell stark: Hohe Vorjahreswerte und schwaches Konsumentensentiment drücken das Wachstum auf Werte deutlich unterhalb des potentiell möglichen Wachstums. Für Delivery Hero hieß das in Q1 2023 ein GMV-Wachstum von nur 2% gegenüber dem Vorjahr.

Wenn man die einzelnen Segmente separat betrachtet, hellt sich das Bild jedoch bereits deutlich auf und es wird der Grund für das schwache Wachstum sichtbar. Während die Segmente MENA, Europa, Americas und Integrated Verticals weiterhin zweistellig wuchsen, war das GMV in Asien rückläufig. Dies lag an den besonders starken Covid-Maßnahmen vor allem in Korea und Taiwan, welche rund 80% des Asien-GMVs ausmachen. Doch bereits im April konnte Delivery Hero auch im Asien-Segment wieder positives Wachstum verzeichnen, dieses sollte im Laufe des Jahres noch weiter an Fahrt gewinnen.
Besonders das MENA-Segment (die wichtigsten Länder sind hier Saudi Arabien, VAE, Türkei) sticht bereits seit Jahren positiv hervor und überzeugt mit durchgehend zweistelligen Wachstumsraten sowie den höchsten Bruttomargen und operativen Margen im Konzern. Die gesamte Region profitiert von der jungen Bevölkerungsstruktur und den hohen Investments in Infrastruktur und Tourismus (bsp. Qatar-WM). Den Grund für die hohe Profitabilität im Vergleich zu anderen Regionen werde ich noch weiter unten erläutern.

Profitabilität
Seit vielen Jahren wird infrage gestellt, ob Delivery Hero bzw. Lieferdienste allgemein jeweils profitabel arbeiten können. Denn bis heute überlagern die Investitionen in aufstrebende, neue Märkte oftmals die bereits erreichte Profitabilität in einem Großteil der langen bestehenden Länder, sodass man insgesamt zu dem Schluss kommen könnte, dass sich Lieferdienste einfach nicht profitabel betreiben lassen können. Dieses Argument könnte im Laufe des Jahres ausgeräumt werden, wenn Delivery Hero sein Versprechen einlöst und ab Ende des Jahres dauerhaft einen positiven Free Cashflow erwirtschaftet.
In den beiden größten Regionen Asien und MENA wird Delivery Hero dieses bereits knapp 600 Mio. € operativen Gewinn erzielen, in allen profitablen Ländern zusammen allein in Q4 2023 rund 400 Mio. € operativen Gewinn. Nachfolgend sehen wir die Zahlen für 2022 von dem koreanischen Geschäft (Woowa), welches rund 50% zum gesamten GMV beiträgt. Dort konnte Delivery Hero im vergangenen Jahr nicht nur seinen Umsatz um 42% erhöhen, sondern auch den operativen Gewinn auf 387 Mio. € steigern und den Free Cashflow auf 269 Mio. €. Dieses Jahr wird der operative Gewinn wohl auf rund 600 Mio. € steigen. Wie unterscheidet sich Woowa also von anderen Ländern?

Der Weg zur Profitabilität
In Korea ist Food Delivery eine lange Tradition und daher sind die Menschen vor Ort bereits seit vielen Jahrzehnten damit vertraut. Allein Woowa erhält rund 100 Mio. Bestellungen pro Monat bei einer Bevölkerung von gut 50 Mio. Südkoreanern. Dadurch entstehen enorme Skaleneffekte unterhalb des Bruttogewinns, sodass Kosten wie Restaurant-/Kundenakquisition, Serverkosten und administrative Kosten – auch OPEX genannt – im Verhältnis zum Gesamtumsatz sehr gering sind. Obwohl Woowa nur eine Bruttomarge von rund 4,5% im Vergleich zum GMV hat (diese ist geringer als in jedem anderen Segment), hilft die geringe OPEX-Quote von nur 3% dabei, einen solch hohen operativen Gewinn zu erzielen.
Die anderen Segmente haben aktuell vor allem deswegen höhere OPEX-Quoten, da die Anzahl der Bestellungen pro Einwohner deutlich geringer ausfällt und somit die Skaleneffekte geringer sind. In der nachfolgenden Tabelle habe ich diesen Zusammenhang einmal tabellarisch dargestellt.
Korea | Asia ex. KR | MENA | Europe | Americas | |
Orders 2022 (in Mio.) | 5000 | 1460 | 2250 | 1810 | 670 |
Einwohner (in Mio.) | 50 | 840 | 300 | 765 | 224 |
Mtl. Orders/Einwohner | 1,67 | 0,07 | 0,17 | 0,05 | 0,06 |
Bruttogewinn-Marge | 4,5% | 8% | 9% | 6,5% | 9% |
OPEX-Quote | 3% | 8% | 7% | 10,5% | 12,5% |
AEBITDA-Marge | 1,5% | 0% | 2% | -4% | -3,5% |
Die hohen Verluste im Europa- und Americas-Segment liegen somit vor allem an der noch geringen Penetration, welche vor allem in Korea und MENA deutlich höher ist (siehe monatliche Orders/Einwohner). Sollten diese Segmente jedoch weiter wachsen, dann werden die Skaleneffekte im OPEX-Bereich dazu führen, dass die OPEX-Quote sinkt und die Segmente profitabel werden. Für Americas sollte dies Anfang nächsten Jahres der Fall sein, für Europa in rund 18 Monaten. Zusätzlich strebt Delivery Hero an, die Bruttogewinnmarge weiter zu verbessern, indem die Anzahl der Lieferungen pro Stunde erhöht wird und die Advertising-Strategie weiter forciert wird.

Bewertung
Die Bewertung gestaltet sich weiterhin schwierig, weil die ungewöhnlichen Bedingungen eine Prognose für das zukünftige Wachstumspotential erschweren. Ab 2024 traue ich Delivery Hero wieder zu eine GMV-Wachstumsrate von 12-15% zu erzielen, sollte sich die gesamtwirtschaftliche Situation und die Konsumentenstimmung weiter verbessern, sind sogar 15-20% möglich. Bei angenommenen 15% jährlichem GMV-Wachstum und einer Free-Cashflow-Marge, die in 2024 erstmals positiv ist und langfristig 4% vom GMV erreichen sollte, liegt der faire Wert in etwa bei dem 15-fachen normalisierten Free Cashflow (dieser beträgt bei knapp 50 Mrd. € GMV in 2023 rund 2 Mrd. €). Dies würde eine Bewertung von rund 30 Mrd. € bedeuten, was in etwa dem Dreifachen der tatsächlichen Bewertung entspricht.
Um dies zu erreichen ist es jedoch entscheidend, dass Delivery Hero weiterhin Fortschritte bei der Verbesserung der Bruttomarge und den OPEX-Kosten macht, mittelfristig wieder zweistelliges Wachstum erzielt und sich dieses Wachstum dann in positiven Skaleneffekten widerspiegelt. In den letzten Quartalen schien das Unternehmen bei diesem Vorhaben jedoch auf einem guten Weg. Risiken lauern weiterhin in einer wieder verstärkten Wettbewerbssituation sowie in regulatorischen Risiken in Europa und vor allem in Spanien. Hier rechne ich mit Strafen im niedrigen 3-stelligen Millionenbereich sowie im schlimmsten Fall einem Verbot des jetzigen Geschäftsmodells in Spanien, sodass dieses kostenintensiv verändert werden müsste. Angesichts der hohen Cashbestände sowie der geringen Bedeutung von Spanien im Gesamtkonzern (GMV entspricht rund 2% von Delivery Hero) wäre dies zwar ein Rückschlag, würde jedoch nicht die Investmenthypothese nichtig machen.
Deine Analyse ist umfangreich und Du kommst zu dem Schluss, dass eine Bewertung mit 30 Mrd angezeigt wäre.
Meine Frage: DH hat 7 Euro-Anleihen ausstehend. Bis 2030 wird jedes Jahr eine Anleihe fällig. Und diese Anleihen werfen eine Rendite von jeweils über10% ab (weil die Kurse drastisch gefallen sind) Der Kurs der Anleihe mit der WKN A3MP43 steht z.B. bei unter 65!! das heisst doch, dass der Anleihemarkt die Bonität des Unternehmens sehr
skeptisch beurteilt. Siehst Du die Rückzahlung der Anleihen als sicher an? dann müsste man doch jede Menge Anleihen kaufen. Die o.g. Anleihe hat eine Rendite von durchschnittlich über 11%.
Bei einer solchen Rendite signalisiert doch der Anleihemarkt, dass hier ein sehr hohes Risiko besteht.
Wie siehst Du die Anleihen bzw die Verschuldung des Unternehmens.
Moin Klaus,
die Anleihe wurde im Jahr 2021 ausgegeben, als noch ein deutlich niedrigeres Zinsenniveau vorlag. Zudem handelt es sich um Wandelanleihen, die am Ende der Laufzeit für einen bestimmten Preis in eine Aktie gewandelt werden können. Dadurch sinkt der Zinssatz, da Investoren die Hoffnung haben, die Anleihen am Ende der Laufzeit zu einem günstigen Kurs in Aktien zu wandeln.
Da der Wandlungspreis dieser Anleihe jedoch bei knapp 200€ liegt, ist dieses Recht für die Investoren sogut wie wertlos und die Anleihe ist quasi eine „normale“ Anleihe. Wenn man diese bis zur Fälligkeit hält, würde man pro Jahr 2,125% Zinsen + die 100% Rückzahlung am Ende erhalten, sodass die jährliche Rendite rund 10% p.a. beträgt, sollte man jetzt einsteigen.
Zum Vergleich: Eine Anleihe mit ähnlicher Laufzeit von Apple wird mit 4% verzinst. Man sieht also, dass es einen deutlichen Unterschied gibt aufgrund der Tatsache, dass Apple seit Jahren hohe Profite macht, während DH diese erst in Zukunft erreichen will und die Unsicherheit größer ist.
Aktuell belaufen sich die gesamten Verbindlichkeiten von DH auf rund 5,5 Mrd. €, welche innerhalb der nächsten 7 Jahre auslaufen; dem stehen rund 3 Mrd. € Cash und Wertpapiere gegenüber. Um die gesamten Anleihen zurückzahlen zu können, muss DH also in den nächsten 7 Jahren 2,5 Mrd. € (bzw. mehr um einen Puffer zu haben) erwirtschaften oder durch neue Anleihen aufnehmen.
Dies halte ich für mehr als machbar, gerade wenn DH ab Ende diesen Jahres einen positiven FCF erzielt und allein in den profitablen Ländern bereits heute rund 1 Mrd. € FCF pro Jahr erzielt. Wenn dieser noch weiter ausgebaut wird und auch die unprofitablen Länder in den nächsten Jahren profitabel werden (oder zur Not abgestoßen werden), dann sollten die 2,5 Mrd. € leicht erreicht werden. Ich rechne bsp. mit folgenden FCF über die nächsten 5 Jahre:
2023: -300 Mio. €
2024: +250 Mio. €
2025: +700 Mio. €
2026: +1,2 Mrd. €
2027: +1,7 Mrd. €
Dies würde bedeuten, dass der Cashbestand im Jahr 2024 mit gut 2,3 Mrd. € seinen Tiefpunkt erreicht und ab dann trotz Rückzahlung der Anleihen Jahr für Jahr ansteigt. Somit sehe ich, zumindest beim Erreichen der eigenen Ziele und meinen Erwartungen keinen Grund zur Sorge und auch genügend Puffer für unvorhergesehene Ereignisse.
VG Basti