Im zweiten Teil der Delivery-Hero-Analyse (den ersten Teil finden Sie hier) beschäftige ich mich ausführlich mit den Profitabilitätsstrukturen im Restaurant-Business. Dabei gehe ich zuerst auf die Erkenntnisse aus dem letzten Investoren-Call ein, um dann das Geschäft in Bestandskunden und Wachstumsinvestitionen zu segmentieren, die zu zusätzlichen Erkenntnissen führen sollten.
Investoren-Call
Das Liefergeschäft von Delivery Hero läuft weiter hervorragend. Trotz zurückgehenden Pandemieängsten hat sich die Zahl der Bestellungen um über 10% im Vergleich zum Vorquartal erhöht und die Margen stiegen im Vergleich zum Vorjahr deutlich an. Durch die hohen Investitionen in der Vergangenheit konnte man laut Aussage von CEO Niklas Östberg die Marktführerschaft in nahezu jedem Land ausbauen. Diese Trends werden auch durch externe Daten gestützt; so hat der größte Konkurrent in Südostasien GrabFood in Q1 ein GMV-Wachstum von 49% erzielt, während dieses in Delivery Heros Asiengeschäft bei 93% lag.
In den kommenden Quartalen sollte sich die Kernprofitabilität weiter erhöhen, allerdings stehen dem gegenüber die Expansionskosten in Japan und Deutschland sowie der Aufbau der eigenen Lieferflotte in Südkorea. Diese Investitionen und anfänglichen Ineffizienzen werden wohl noch bis ins erste Halbjahr 2022 belastend wirken. Insgesamt zeichnet sich ein Trend ab, dass die größten Food-Delivery-Konzerne zukünftig eher die Profitabilität im Fokus haben werden und nicht mehr allein das Wachstum, was die Wettbewerbsintensität verringern sollte. Uber Eats will in Q4 zum ersten Mal profitabel werden, auch Just Eat Takeaway hat betont die größten Investitionen hinter sich zu haben. Zudem werden aktuell kaum noch Startups finanziert, die sich allein auf das Restaurantlieferbusiness konzentrieren.
Profitabilitätsanalyse: Neukunden vs. Bestandskunden
Annahmen
Um Aussagen über die Profitabilität treffen zu können, muss man Faktoren wie Kundenakquisition, Kundenbindung und Wiederbestellraten verstehen. Typischerweise wird ein Kunde durch einen Mix aus Werbung (TV, Online, Print etc.) und einem Gutschein (bsp. ersten Bestellung mit hohem Rabatt) gewonnen. Danach bleiben die gewonnenen Kunden fast vollständig auf der Plattform und bestellen sogar von Jahr zu Jahr mehr, ohne dass es im Laufe der Zeit großartig neue Marketing- oder Gutscheinaktionen bedarf (siehe Grafik unten). Ohne Neukunden würden die Umsätze also nur noch leicht steigen – schätzungsweise 10% p.a. (5% durch jährlich steigende Bestellraten, 5% durch steigende Bestellwerte).

Somit kann man die Ausgaben für Gutscheine und Kundenakquisitionskosten nahezu vollständig als Wachstumsinvestitionen klassifizieren. Zudem bemüht sich Delivery Hero immer mehr Restaurants auf die Plattform zu bringen, um sich zum einen von der Konkurrenz abzuheben und ein besseres Produkt anzubieten und zum zweiten die Bestellhäufigkeit der Kunden weiter zu erhöhen. Würde man diese Investitionen unterlassen, dann würde sich wohl kurzfristig kein Unterschied ergeben, langfristig würde man damit jedoch der Konkurrenz erlauben die attraktivere Plattform mit mehr Auswahl anzubieten. Langfristig werden diese Investitionen relativ gesehen jedoch zurückgehen, da irgendwann nahezu alle willigen Restaurants auf der Plattform gelistet sind und man gar nicht die Möglichkeit hat hier deutlich mehr Geld auszugeben. Daher rechne ich die Restaurantakquisitionskosten ebenfalls zu den Wachstumsinvestitionen hinzu.
Berechnung
Für die Berechnung der Werte habe ich die Zahlen aus dem Halbjahresbericht 2021 herangezogen und versucht das um Wachstumsinvestitionen (Restaurant- und Neukundenakquise) bereinigte operative Ergebnis zu ermitteln. Dafür werden zudem die Geschäftstätigkeiten des Quick-Commerce-Models herausgerechnet, da sich dieses deutlich vom Restaurantmodell unterscheidet. Das Resultat ist ausdrücklich nicht das Ergebnis, was ich für Delivery Hero kurzfristig erwarte, da die Investitionen bei der aktuellen Wachstumsstrategie weiter notwendig sind. Die Rechnung soll aber ein Gefühl dafür geben, ob das Kerngeschäft profitabel ist und wie sich dieses entwickelt hat und entwickeln wird.
H1 2020 | H1 2021 | |
Umsatz | 960 | 2457 |
Dmart Umsatz | 52 | 375 |
Umsatz (ex. Dmart) (1) | 908 | 2082 |
Gutscheine (2) | 170 | 365 |
Kosten für Kundenakquisition (3) | 128 | 242 |
Dmart-Anteil an CAC (4) | 3% | 6% |
CAC ex. Dmart (5) = (2) + (3) abzgl. (4) | 289 | 571 |
Kosten für Restaurantakquisition (6) | 105 | 208 |
Dmart AEBITDA (7) | -22 | -105 |
AEBITDA (8) | -320 | -351 |
Wachstumsbereinigtes AEBITDA (9) = (8) – (7) + (6) + (5) | 96 | 533 |
Operative Marge bzgl. Umsatz (9)/(1) | 10,6% | 25,6% |
Operative Marge bzgl. GMV | 1,9% | 4,0% |
Mit dem Bestandskundengeschäft erzielt Delivery Hero nach dieser Rechnung bereits eine operative Umsatzmarge von über 25% und eine GMV-Marge von 4%. Hier sind neben den direkten umsatzbezogenen Kosten (Lieferkosten, Payment-Kosten, etc.) auch sämtliche Kosten für das Tech-Team und Verwaltungskosten enthalten, einzig Gutscheine, Neukundenakquisitionen und Restaurantakquisitionen sind exkludiert. Zudem sieht man den Fortschritt in den vergangenen 12 Monaten, da die Marge deutlich verbessert werden konnte. Durch die zusätzlichen Wachstumsinvestitionen erhöht man den Kundenstamm, sodass das wachstumsbereinigte AEBITDA in Zukunft weiter steigen sollte und voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2022 so hoch sein wird, dass das Restaurantgeschäft bei weiterhin hohem Wachstum auch insgesamt profitabel sein wird.
Delivery Hero: Zukünftige Profitabilität
Das organische Wachstum (exkl. Übernahmen) betrug im Restaurantgeschäft in etwa 70% im Vergleich zum Vorjahr, dafür musste man 6,3% des GMVs für Wachstumsinvestitionen bereitstellen. Unter der Annahme, dass das Wachstum ohne Investitionen in Kunden- und Restaurantakquise bei ca. 10% liegen würde, beträgt das zusätzliche Wachstum demnach 60%. Sollte man sich dazu entscheiden, dass man die Investitionen so reduziert, dass das Wachstum insgesamt auf 30% pro Jahr sinkt (dies entspricht dem langfristigen Ziel von Delivery Hero), würde man hierfür ungefähr ein Drittel der aktuellen Investitionen benötigen (10% Wachstum ohne Investitionen + 20% investitionsinduziertes Wachstum). Dies entspricht gut 2% des GMV. Hätte man sich beispielsweise bereits heute dafür entschieden, dann hätte man dieses Jahr im Restaurantgeschäft eine operative Marge von 2% des GMV bzw. 600 Mio. €. Langfristig prognostiziert Delivery Hero eine operative Marge von 5-8% des GMV. Um dies zu erreichen, müsste man demnach eine operative Marge vor Wachstumsinvestitionen von 7-10% des GMVs erzielen und zusätzlich 2% in weiteres Wachstum stecken, um auch 30% Umsatzsteigerung zu erreichen. Es wird demnach interessant zu sehen sein, wie schnell Delivery Hero es schafft, die wachstumsbereinigte Marge auf diese Zielgröße zu steigern.
Möglichkeiten zur Margenverbesserung
Um die aktuelle wachstumsbereinigte Marge von 4% auf 7-10% zu verbessern gibt es verschiedene Methoden. Zuallererst kann man festhalten, dass aktuell in den „neuen Ländern“ (Japan, Deutschland, Teile Südamerikas, Own-Delivery in Südkorea) noch erhebliche Ineffizienzen bestehen was Fahrerauslastung, Routenplanung und Kundenakquisition angeht. Sollten diese mit der Zeit zurückgehen (ich rechne ab H2 2022 mit einem positiven Effekt), würde die Marge automatisch steigen. Zudem hat man die Möglichkeit durch eine Erhöhung von Delivery Fee und Restaurant-Provisionen, höhere Bestellwerte und weiteren Skaleneffekten in der Logistik die Marge zu verbessern.
Die relativen Kosten für Restaurant- und Kundenakquise werden mit einem nachlassenden Wachstum automatisch geringer werden, zudem kann man hier durch eine bekannte Marke und weiterer Marketingoptimierung noch zusätzliche Potentiale heben. Dennoch würde ich kurzfristig ein höheres Wachstum vorziehen, um den langfristigen Ertrag und Skaleneffekte bestmöglich zu steigern. Zukünftig werde ich daher auf das Verhältnis von Wachstum und Investitionen schauen, solange dies in einem gesunden Verhältnis steht, gibt es keinen Grund die Investitionen zu stoppen. Sollte es jedoch dazu kommen, dass das Umsatzwachstum über längere Zeiträume zurückgeht und die Investitionen weiterhin hoch bleiben, sollte man die Gründe hierfür genauer erläutern und gegebenenfalls reagieren, wenn sich die Aussichten verschlechtern.
Fazit
Die Lieferung von Restaurantessen bleibt das wichtigste Standbein von Delivery Hero. Trotz weiterhin hohen Ineffizienzen in neuen Ländern ist man im Stammkundengeschäft schon profitabel und generiert dieses Jahr in etwa 1 Mrd. operativen Gewinn. Dieser wird aktuell jedoch noch in das weitere Wachstum investiert. Dies hat bei einem Modell mit sehr hohen Anfangsinvestitionen bei langlaufender Kundenbeziehung zur Folge, dass die Investitionskosten für Wachstum und Neukunden die Gewinne mit Bestandskunden aktuell noch übertreffen. Dies wird sich jedoch mit abnehmendem Wachstum, zusätzlichen Skaleneffekten und weiterer Verbesserung der Prozesse zukünftig umkehren. Dadurch wird das Restaurantbusiness schon bald einen signifikanten Gewinn ausweisen (ich rechne mit dem zweiten Halbjahr 2022) mit dem auch die weitere Expansion der Dmarts finanziert werden kann. Letztlich bleibt die weitere Strategie eine Abwägung zwischen Wachstum und Profitabilität. Solange günstig Kunden gewonnen werden können, ergibt es Sinn viele Investitionen zu tätigen. Negativ zu sehen wäre allerdings ein deutliches Abschwächen der Wachstumsraten bei gleichzeitig stagnierenden oder sinkenden Margen. Solange dies jedoch nicht geschieht, bleibt Delivery Hero weiterhin eine der Top-Werte im Wikifolio.
Hallo Basti,
einmal mehr vielen Dank für deine tolle Analyse.
Wann erwartest du denn die Profitabilität für den Gesamtkonzern? Und glaubst du nicht dass es weitere Verschiebungen geben wird, die du in deinen Modellen noch gar nicht bedenken kannst? Ich zumindest halte dies für ziemlich wahrscheinlich.
Beste Grüße Peter
Moin Peter,
bis der gesamte Konzern die Zielprofitabilität erreicht wird es sicher noch einige Jahre dauern. Das Restaurantbusiness sollte dies vielleicht schon in 3-4 Jahren erreichen.
Welche Verschiebungen meinst du denn? Natürlich kann es im Laufe der Zeit immer Entwicklungen geben, die zu neuen Erkenntnissen führen.
VG Basti
Guten Morgen Basti,
naja erst wollte man 2019 profitabel sein, dann 2021 oder 2022, nun 2023 schon nicht mehr. es verschiebt sich ja alles ständig nach hinten. Was zwar dem Umsatzwachstum deutlich zu Gute kommt, wie du herausgearbeitet hast. Dennoch dürfte man eben mindestens noch 1 bis 2 Kapitalerhöhungen zu Lasten der Aktionäre benötigen bis man sein Ziel erreicht hat. Und es ist ja zudem nicht ausgeschlossen, dass wie in Deutschland ein Verdrängungswettbewerb in anderen Ländern, in denen DH Marktführer ist stattfinden könnte. DH meint ja in Deutschland können Sie das Geschäft besser als die Konkurrenz, obwohl die Konkurrenz dort Marktführer ist. Was aber, wenn Doordash bspw. nun auch die Wachstumsmöglichkeiten ausgehen und man meint, man könnte bspw in Asien besser sein als DH? Das würde der Marge mit Sicherheit nicht guttun.
Dies sind die Punkte die mich langfristig ein bisschen kritisch auf die Profitabilität blicken lassen.
Die Zielprofitabilität siehst du in 3-4 Jahren. Wenn siehst du zum ersten Mal eine positive AEBITDA Marge?
Gruß Peter
Moin Peter,
man hätte auch bereits 2019 profitabel werden können, wenn man den Just Eat Takeaway (JET) – Weg gegangen wäre (wenig eigene Lieferung, weniger Marketing, weniger Restaurantakquisitionen). Dadurch würde man jedoch zum einen ein deutlich geringeres Wachstum (GMV heute wohl bei 12 Mrd. € statt 35 Mrd. €) verzeichnen und würde in dieselben Probleme wie JET laufen – neue Konkurrenz, die ein besseres Produkt (mehr/bessere Restaurants, kürzere Lieferzeiten etc.) anbietet. Der Markt hat die Strategie von DH ebenfalls honoriert, sodass die Aktie deutlich besser lief als JET oder Grubhub.
Natürlich kann es immer vorkommen, dass Konkurrenten in den Markt kommen. Die große Welle scheint jedoch vorbei, Investitionen gehen zurück und die Unternehmen schauen mehr auf Profitabilität. Daher hat sich auch Uber im vergangenen Jahr aus vielen DH-Märkten zurückgezogen (MENA und Teile Südamerikas), weil DH einfach vom Produkt und der Investitionskraft überlegen war.
Es ist aufgrund der unterschiedlichen Geschäftsmodelle einfach schwierig einen Zeitpunkt für die Profitabilität zu nennen. Das Restaurant-Business sollte dies in H2 2022 erreichen. Bei den Dmarts rechne ich mit 2024/2025.
VG Basti