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Corona-Impfstoff in Reichweite – Kurssturz bei Corona-Gewinnern

Heute wurde vermeldet, dass Biontech und ihr US-Partner Pfizer einen Durchbruch beim Corona-Impfstoff erreichen konnten: Der Wirkstoff bietet nach zweifacher Impfung 90-prozentigen Schutz vor einer Infektion und weist keine schweren Nebenwirkungen auf. Dies hatte deutliche Reaktionen an den Aktienmärkten und besonders im Wikifolio zur Folge. Die „Corona-Gewinner“ werden deutlich abgestraft, während „Corona-Verlierer“ deutlich an Wert gewinnen können. Daher werde ich in diesem Artikel auf die kurz- und langfristigen Folgen für die einzelnen Unternehmen eingehen und analysieren, ob die Kursverluste gerechtfertigt sind.

Was hat sich durch den Corona-Impfstoff verändert?

Das an einem Corona-Impfstoff geforscht wird und dieser auch in den nächsten Monaten zugelassen wird ist erst einmal nichts neues. Vor dem heutigen Tag hat man damit gerechnet, dass der Impfstoff Anfang 2021 in die Massenproduktion geht und man die Pandemie in Q2 oder Q3 2021 unter Kontrolle hat, sodass die Corona-Beschränkungen weitgehend aufgehoben werden können. Durch die heutigen Ergebnisse ist es deutlich wahrscheinlicher, dass man bereits in wenigen Wochen mit der Produktion beginnen kann und die Corona-Beschränkungen damit auch bereits einige Monate früher aufheben lassen. Ich gehe in meiner Analyse davon aus, dass die Beschränkungen 3 Monate eher aufgehoben werden als bisher gedacht (bsp. Ende Q1 statt Ende Q2).

Wie hat der Markt reagiert?

In Deutschland haben nahezu alle E-Commerce-Aktien zweistellig verloren, es wurde nicht differenziert wie stark die News sich tatsächlich auf die einzelnen Unternehmen auswirken werden. An der US-Börse waren die Investoren wieder einmal einen Schritt voraus. „Corona-Gewinner“, die zwar kurzfristig von einer längeren Suche nach einem Impfstoff profitiert hätten, jedoch von langfristigen Trends profitieren werden (Amazon, Facebook, etc.) haben nur leicht an Wert verloren, während Aktien, die nach Corona wohl deutlich an Nutzerzahlen verlieren werden (Zoom, Peloton, etc.) ebenfalls zweistellig verloren haben. Daher ist es aktuell wichtig nicht panisch alle Aktien, die von Corona profitiert haben zu verkaufen, sondern sich alle Geschäftsmodelle anzuschauen, um dann mögliche Entscheidungen zu treffen.

Für die Bewertung der Aktien sowie die Kursziele und Umsatzschätzungen war ich ohnehin nicht davon ausgegangen, dass die Pandemie noch bis Ende 2021 anhält, diese bleiben daher auch vorerst bestehen. Zudem profitieren alle Unternehmen davon, dass die Konsumenten wieder mehr Geld zur Verfügung haben und besser planen können, sodass auch die Anschaffungsneigung nach dem Ende der Wirtschaftskrise wieder ansteigt.

Auswirkungen auf Unternehmen

Hellofresh

Hellofresh wird heute mit deutlichem Abschlag gehandelt. Tatsächlich sind die Auswirkungen auf das operative Geschäft jedoch geringer als man vielleicht denken mag. Aktuell arbeitet man in fast allen Ländern an der Kapazitätsgrenze, kann also keine neuen Kunden mehr aufnehmen und profitiert nicht wirklich von den zuletzt wieder steigenden Corona-Fällen.

Die Bestellraten und Boxgrößen werden nach Corona wieder auf das Vor-Corona-Niveau zurückgehen, da wieder mehr Leute tagsüber im Büro arbeiten und auch Restaurants wieder öffnen. Der Trend von zurückgehenden Bestellraten hat sich jedoch bereits in Q3 gezeigt und auch hier konnte man noch hervorragend wachsen. Die Marktforschungsanalysen von Hellofresh gehen zudem davon aus, dass „Corona-Neukunden“ sich ähnlich verhalten wie die Kunden, die vor Corona gewonnen wurden. Zwar werden – wie vor Corona auch – einige Kunden Hellofresh nur ausprobieren und nicht weiter nutzen, jedoch bleiben auch relativ viele als Kunden erhalten.

Edit: Als Musterbeispiel hierfür kann man die Entwicklung in Neuseeland betrachten, die bereits von Anfang Mai bis Mitte August fast keine neuen Corona-Fälle verzeichnet haben und die Corona-Maßnahmen zwischenzeitlich vollständig gelockert haben. Hier blieb das Kundeninteresse nahezu stabil, einen Einbruch des Umsatzes gab es nicht.

Bereits in Q3 hat man vermutet, dass die Umsätze aufgrund der wieder geöffneten Restaurants deutlich zurückgehen und Kunden den Service kündigen. Beides ist nicht geschehen. Zudem ist auch die Aktie seit Monaten nicht wirklich gestiegen, da viele Anleger bereits die Zeit nach Corona im Blick hatten, ein Ende der Pandemie war somit bereits „eingepreist“.

Der langfristige Trend im Lebensmittelbereich wird weiter Richtung E-Commerce gehen. Es kann zwar sein, dass 2021 ein „Übergangsjahr“ für Hellofresh werden wird, in dem das Wachstum unter dem langjährigen Durchschnitt liegen wird, jedoch gehe ich ab 2022 wieder von deutlich zweistelligen Raten im Bereich 20%-25% aus. Daher war Hellofresh heute auch der einzige „Corona-Gewinner“ bei dem ich Anteile nachgekauft habe.

Home24/Westwing

Etwas anders sieht die Situation bei Home24 und Westwing aus. Während ein Großteil der Menschen weiterhin im Supermarkt einkaufen waren und somit Hellofresh sehr einfach ersetzen könnten, war der stationäre Einzelhandel aufgrund der Restriktionen deutlich stärker betroffen. Kunden verzichteten aus Angst vor Corona auf nicht-essenzielle Einkaufstrips und haben stattdessen im Internet nach Möbeln und Einrichtungsgegenständen geschaut. Dieses Verhalten wird sich zwar im wichtigen Weihnachtsgeschäft noch fortsetzen, ab 2021 und dem Ende der Pandemie werden aber einige Konsumenten zum „alten Einkaufsverhalten“ zurückkehren. Gerade Westwing, bei denen der Anteil von Möbeln und Dekoartikeln für das Home-Office relativ hoch war, wird dies wohl zu spüren bekommen.

Dies würde bedeuten, dass das nächste Jahr für die beiden Unternehmen ein Übergangsjahr wird, in dem der Umsatz stagniert. Doch auch für diese beiden Unternehmen wird der langfristige Trend Richtung E-Commerce dazu führen, dass man ab 2021 wieder wachsen kann. Dieses Wachstum wird wohl in etwa auf dem Vor-Corona-Niveau (Westwing: 10%-20%; Home24: 15%-25%) liegen. Kurzfristig ist jedoch erstmal Unsicherheit da. Daher habe ich den Anteil beider Unternehmen auch etwas reduziert.

Zalando

Bei Zalando sieht es ähnlich wie bei Home24 und Westwing aus. Am generellen Trend hat sich nichts verändert und es werden wohl auch zukünftig immer mehr Konsumenten im Internet nach Schuhen und Klamotten Ausschau halten, jedoch wird ein Teil zurück zum stationären Handel finden und das Wachstum in 2021 wird deutlich unter dem diesjährigen liegen.

Booking

Neu im Wikifolio ist Booking, das größte Portal für Reisen und Flüge. Bereits im Mai war die Aktie Bestandteil des Wikifolios, wurde jedoch verkauft, nachdem sich die Pandemie immer weiter in die Länge zog. Ich gehe davon aus, dass nach dem Ende von Corona die Reiselust besonders groß sein wird und gleichzeitig viele klassische Reiseveranstalter insolvent sind, sodass Booking doppelt profitiert. Der Anteil liegt aktuell bei 4%, kann sich in den nächsten Tagen aber auch noch einmal erhöhen.

Twitter

Twitter würde man wohl nicht direkt als Corona-Verlierer sehen, jedoch hat die Pandemie auch die Werbeumsätze massiv beeinträchtigt. Im Jahr 2021 wird es hier zu Aufholeffekten kommen, da Werbebudgets wieder auf das Vorkrisenniveau erhöht werden. Schon allein die Aussicht auf ein Ende der Pandemie durch den Corona-Impfstoff führte kurzfristig zu steigenden Marketingpreisen auf den Sozialen Medien. Zusätzlich verbessert man die Monetarisierung bei Twitter immer weiter, sodass die Plattform für Werbepartner deutlich interessanter wird. Auch hier habe ich den Anteil im Wikifolio weiter erhöht, sodass dieser nun bei 4% liegt.

Fazit: teilweise Neuausrichtung wegen Corona-Impfstoff

Der Kursrückgang heute tut natürlich weh, das ist unbestritten. Dennoch erscheint mir dieser bei manchen Aktien – allen voran Hellofresh – mit Blick auf die tatsächlichen Auswirkungen doch deutlich übertrieben. Bei Zalando, Home24 und Westwing ist die Unsicherheit deutlich größer und 2021 wird wohl ein Übergangsjahr mit vergleichsweise schwachem Wachstum werden. Daher habe ich den Anteil im Wikifolio auch zurückgefahren und Anteile verkauft. Vor einigen Wochen lag der Anteil von Home24 und Westwing noch bei 35%, aktuell noch bei 23%. Aufgrund der langfristig positiven Aussichten fühle ich mich mit diesem Anteil aktuell wohl. Morgen (Westwing) und übermorgen (Home24) werden die Quartalszahlen und sicherlich auch eine Einschätzung des Vorstandes hinsichtlich der aktuellen Impfstoffentwicklungen präsentiert. Nach diesen werde ich nochmals auf beide Unternehmen genauer eingehen.

Aktuell besteht das Wikifolio damit noch zu 56% aus Unternehmen, die zumindest kurzfristig zu den „Verlierern“ der heutigen Nachrichten gehören und zu 36% aus Unternehmen, die kurzfristig zu den Gewinnern des schnellen Pandemieendes gehören.

Ich freue mich über jede Bewertung, Anmerkung und Kritik:
[Total: 48 Average: 4.9]

Dieser Beitrag hat 7 Kommentare

  1. Beck

    Hallo, danke für die Analyse!
    ShopApotheke wurde auch bestraft… zu Unrecht? Zufriedene Kunden sollten Kunden bleiben… Nachkaufen?
    Vonovia: in Krisenzeiten wäre ich mit Immobilienwerten vorsichtig. Was wenn viele Mieter nicht mehr zahlen können?
    Viele Grüße

    1. Bastian Brach

      Moin Fabrice,

      bei ShopApotheke wird es vermutlich etwas besser laufen als bei Home24/Westwing. Die zufriedenen Kunden werden weiterhin online bestellen, das Neukundenwachstum geht jedoch zurück. Zudem kann man, wenn man ohnehin in der Stadt unterwegs ist auch direkt bei der Apotheke vorbeischauen und muss nicht zwingend online bestellen. Mir war ShopApotheke ja bereits seit einiger Zeit zu hoch bewertet.

      Gerade in Krisenzeiten sind Immobilienwerte die stabilsten Geschäftsmodelle. Selbst in der Finanzkrise 08/09 wurde in Deutschland die durchschnittliche Miete erhöht. Dies liegt daran, dass der Sozialstaat im Falle einer Arbeitslosigkeit die Miete übernimmt. Da Vonovia Wohnungen im unteren Preissegment anbietet, wird in Krisenzeiten sogar zusätzliche Nachfrage von den Leuten da sein, die vorher zur Mittelschicht gehörten, aber nun einen Teil ihres Einkommens verloren haben und nun nach günstigeren Wohnungen suchen. Dies hat man ja auch in den vergangenen Monaten gesehen, die trotz starkem Wirtschaftseinbruch nahezu keine Auswirkungen auf Vonovia hatten.

      VG Basti

  2. Reinhard Lossek

    Danke für die Analyse!

    Ich denke allerdings, dass Hello Fresh deutlich mehr betroffen sein wird.
    Es wird eher einige Jahre dauern, bis der momentane Umsatz wieder erreicht ist.

    Viele Grüße!

  3. Robert

    Hi Basti, ich habe gesehen, dass du Etsy wieder verkauft hast? Gibt es dafür einen bestimmten Grund? An den Fundamentaldaten und den Trends („personal“ eCommerce, mehr Zeit daheim heißt mehr Zeit für DIY etc.) dürfte sich doch nichts geändert haben? Außerdem besteht die Möglichkeit, dass Biden ab Januar eine verpflichtende Maskenpflicht in US durchsetzt, was für reichlich Phantasie bei Etsy sorgen sollte… was meinst du? Danke!

    1. Bastian Brach

      Moin Robert,

      die Käufe und Verkäufe der letzten Tage habe ich hauptsächlich deshalb vorgenommen, um das Wikifolio strategisch etwas anders auszurichten und den Anteil von „Stay-at-Home“-Aktien zu reduzieren, da 2021 wohl ein Übergangsjahr wird. Investoren schauen oftmals eben nur auf die kurzfristigen Entwicklungen, diese muss ich jedoch ebenso berücksichtigen, um auch in den kommenden Monaten die bestmögliche Performance für die Investoren zu erzielen.

      Daher habe ich auch Twitter und Booking gekauft, welche ein Gegengewicht zu den „Stay-at-Home“-Aktien bieten. Etsy hat durch Maskenverkäufe und der Tatsache, dass viele Leute zu Hause waren und mehr Zeit zum produzieren von Selbstgemachtem hatten, sehr stark profitiert. Dadurch wird Etsy von Investoren auch noch deutlich stärker als Corona-Gewinner wahrgenommen als Aktien wie Hellofresh, Home24 etc. Um hier das Risiko zu reduzieren, habe ich die Aktie erst einmal wieder verkauft, halte sie langfristig trotzdem genau im Blick und würde in Abhängigkeit der Entwicklung in 2021 auch wieder einsteigen.

      VG Basti

  4. Berna

    Sind in nächster Zeit Bankaktien ein Kauf? Speziell in USA?

    1. Bastian Brach

      Mit Bankaktien habe ich mich in den vergangenen Jahren nicht beschäftigt und kann daher keine Aussage treffen, ob diese lohnenswert sind.

      VG Basti

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