Amazon: Q1-Zahlen

Mit etwas Verspätung kommt nun auch meine Einschätzung zu den Q1-Zahlen von Amazon. Diese hatten sowohl Licht als auch Schatten und zeigen einmal mehr, dass wir uns aktuell in der Talsohle des E-Commerce-Wachstums befinden.

Rahmenbedingungen

Der Geschäftsbereich E-Commerce hat bei Amazon in den letzten 3 Jahren viele strategische Veränderungen erlebt. Von dem starken Corona-Boom, der zu hohen Zukunftsprojektionen und demzufolge hohen Investitionen geführt hat, über die Ernüchterung und das einbrechende Konsumklima in den letzten 4-5 Quartalen. Während auch ich die Einschätzung geteilt habe, dass die Corona-Pandemie für E-Commerce zu einer weiteren Wachstumsbeschleunigung führen wird und der Anteil am gesamten Handelsumsatz weiter wachsen wird, sieht die Entwicklung in der Retrospektive anders aus.

Auf der Grafik zum E-Commerce-Anteil erkennt man, dass durch den Corona-Boom ein starker Anstieg weit über die Trendlinie erfolgte. Auch der nachfolgende kleine Einbruch sollte nicht überraschen, wohl aber die Stagnation in den letzten 2,5 Jahren, die dazu geführt hat, dass der E-Commerce-Anteil jetzt wieder die Trendlinie erreicht hat. Gründe hierfür könnten zum einen Revenge-Shopping in stationären Läden sein genauso wie die kurze Corona-Zeitspanne, die keine grundlegenden Veränderungen im Konsumverhalten der Menschen herbeigeführt hat. Zusammen mit dem insgesamt schwachen Konsumklima sieht man in dieser Grafik dann auch den Grund, wieso die Ergebnisse so vieler E-Commerce-Unternehmen in den vergangenen 2 Jahren enttäuscht haben.

Positiv ist jedoch zu sehen, dass die langfristige Trendlinie weiter nach oben zeigt und die langfristigen Trends, die zu einer Steigerung der E-Commerce-Penetration geführt hat, weiter intakt sind. Somit sollte der Sektor insgesamt in den kommenden Jahren wieder in den Wachstumsmodus zurückfinden – Back-to-Normal.

Amazons E-Commerce-Geschäft

Angesichts der schwachen Voraussetzungen lesen sich die Umsatzzahlen im E-Commerce-Bereich von Amazon gar nicht so schlecht, in den USA ist Amazon um 11% gewachsen, international waren es 9% in konstanter Währung. Dies bedeutet eine leichte Verschlechterung zu den +14% in den USA in Q4 bzw. eine leichte Verbesserung zu den +5% international in Q4.

Auch die operativen Ergebnisse konnten sich in beiden Bereichen im Vergleich zum Vorjahr verbessern, auch wenn dies insgesamt weiterhin einen Verlust von $0,3 Mrd. bedeutet. Nachdem die hohen Kapitalinvestitionen jedoch weitgehend abgeschlossen sind und Amazon deutlich stärker auf die Kostenstruktur achtet, sollte dieses Ergebnis in den Folgejahren deutlich verbessert werden.

AWS

Der Cloud-Bereich war diesmal das Sorgenkind in der Berichterstattung. Zwar wuchs das Geschäft mit 16% YOY am stärksten und hatte weiterhin mit Abstand den besten operativen Profit ($5,1 Mrd.), allerdings geht die Dynamik zurück und so erwartet der Vorstand für das zweite Quartal nur noch ein Wachstum im „low-teens“ Bereich. Die Kostensparprogramme vieler Unternehmen führen auch zu einer Streichung der Ausgaben im Cloud-Bereich sowie Verzögerung bei Neugeschäften, worunter Amazon aktuell leidet.

Fazit

Amazons Ergebnisse spiegeln gut die Lage im E-Commerce wider: Aktuell befinden wir uns wachstumstechnisch in der Talsohle, aus welcher man sich langsam herauskämpft. Gleichzeitig führen Kostensparprogramme zu besseren operativen Ergebnissen und bilden die Grundlage für zukünftige Margenexpansion, vor allem in „normalen“ Zeiten. Beide Geschäftsbereiche sind hiervon betroffen, langfristig ist jedoch noch viel Potential für Wachstum vorhanden und mittelfristig sollte Amazon wieder deutlich zweistellig wachsen und den Free-Cashflow deutlich steigern können.

Ich freue mich über jede Bewertung, Anmerkung und Kritik:
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